Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Folgen des unkontrollierbaren
Globalisierungsprozesses, der eine Verlagerung von zahlreichen
Produktionsaktivitäten beschleunigt hat, ist die Welt in zwei ökonomische
Bereiche aufgeteilt: die westlichen Länder (USA und Europa), die konsumieren
und immer weniger produzieren, und die östlichen Länder (Asien und Indien), die
produzieren und noch nicht auf gleicher Höhe konsumieren. Dieser Prozess hat einen
Konflikt zwischen den drei wirtschaftlichen Funktionen des westlichen Menschen
ausgelöst: Arbeiten und Erwirtschaften von Rendite, Konsum der für ihn
günstigsten Güter sowie Sparen und Investieren mit der Aussicht auf höhere
Gewinne.
Das Paradox,
das hieraus erwächst, besteht darin, dass Menschen im Westen noch Einkünfte
erzielen, wenn sie in heimischen Betrieben arbeiten, wobei diese jedoch immer
weniger wettbewerbsfähig und deshalb in ihrer Stabilität bedroht sind. Man
kauft anderswo hergestellte, wettbewerbsfähigere Güter. Man investiert in
ausländische Firmen in Ländern, in denen die Wirtschaft wächst, weil sie
produzieren. So stützt man Unternehmen, die anderswo für Beschäftigung sorgen
und vielleicht sogar mit der Firma, in der man selbst arbeitet, konkurrieren.
Wenn dieselbe Person dann arbeitslos ist, kann sie nicht mehr konsumieren und
noch weniger sparen.
Nach Gotti Tedeschis Meinung steht der Wirtschaft der
Länder, die der Kirche am nächsten stehen, ein Kollaps bevor:
Wird dieser
Konflikt nicht bewältigt, bahnt sich eine Strukturkrise in der Wirtschaft des
ehemals reichen Westens an. Aber die westliche Welt hat christliche Wurzeln
(Europa und die USA), sie bekennt sich zum Christentum und hat bisher die
Kirche mit ihren wirtschaftlichen Ressourcen unterstützt. So wird durch die
Verlagerung von Unternehmen der Reichtum vom christlichen Westen in den noch
nicht christianisierten Osten verschoben. Dies bedeutet für den Westen:
– weniger
wirtschaftliche Entwicklung (vielleicht sogar negative), weniger Einnahmen,
weniger Ersparnisse, weniger Erträge lokaler Investitionen, höhere Kosten, um
der Überalterung der Gesellschaft beizukommen etc.
– folglich eine wichtigere Rolle des Staates in der
Wirtschaft, höhere öffentliche Ausgaben und höhere Kosten. Notwendigkeit
höherer Steuern, weniger Privilegien und Steuervorteile, höhere Risiken.
Die christliche Welt wird ärmer, und der Teil der Welt,
der noch evangelisiert werden muss, gewinnt an Autonomie und Macht. Diese
Situation droht sich auf den Konten niederzuschlagen. Die Bilanzen werden
deutlich schlechter ausfallen. Die Krise könnte manche Regierungen dazu
verleiten, die Kirche mit einer Politik des »aggressiven Zugriffs« auf ihre
Güter und des »Entzugs von Privilegien« zu schwächen, so Gotti Tedeschi wörtlich.
Deshalb müsse der Papst unverzüglich informiert werden:
Infolge des
Globalisierungsprozesses und der Wirtschaftskrise ist der Teil der Welt, der
noch evangelisiert werden muss, derjenige, der »reich« wird, und der
christliche Teil, der reich war, ist dabei, zu verarmen. Dies hat auch
Auswirkungen auf die ökonomischen Ressourcen der Kirche.
[…] Daraus
folgt, dass die Mittel, die bisher zur Befriedigung der Bedürfnisse der Kirche
beigetragen haben (Schenkungen, Erträge …) geringer werden, während der
Geldmittelbedarf für die Evangelisierung steigen dürfte. Außerdem könnte der
»Laizismus« die Situation nutzen, um eine zweite »Römische Frage« in Form eines
aggressiven Zugriffs auf die Kirchengüter zu schaffen (durch Steuern, Entzug
von Privilegien, die Verschärfung von Kontrollen etc.).
[…] Die
»Römische Frage« des 21. Jahrhunderts liegt nicht in der
Enteignung von Kirchengütern, sondern in deren Wertverlust, in minderen
Einkünften aufgrund der Verarmung der christlichen Welt, in der Aufhebung der
Privilegien und der vorauszusehenden höheren Besteuerung der Kirchengüter.
Der vertrauliche Bericht findet in der Kurie Zustimmung.
In späteren Schreiben spricht Gotti Tedeschi von einer echten »Notsituation«.
Höchste Alarmstufe. Zusammen mit anderen fordert er Benedikt XVI. und Bertone auf, einen eigenen Krisenstab
zu gründen, um die Organisation der Kirche weltweit auf neue Grundlagen zu
stellen.
Die Umstrukturierung müsse bei der Verwaltung des Geldes anfangen,
»um die Güter zu sichern und ihren Wert zu erhalten, die Erträge zu steigern,
Kosten zu senken und Risiken zu minimieren«.
Ich glaube,
der Moment ist gekommen, höchste
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