Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Schritte abstimmen. Der Heilige Vater
hat entschieden: Hier muss sofort gehandelt werden.«
Man will aus dieser Sackgasse also möglichst schnell herauskommen,
aber das ist nicht einfach. In den Sacri Palazzi weiß man sehr wohl, dass es
schwierig ist, in Deutschland zu intervenieren. Selbst die Beziehungen zur
diplomatischen Vertretung in Deutschland sind nicht die besten, und das
erschwert eine abgestimmte Vorgehensweise. Der Papst hat seine Enttäuschung
über den Nuntius von Berlin immer noch nicht verwunden. Jean-Claude Périsset
hatte 2009
in der Angelegenheit des Holocaust-Leugners und Lefebvre-Bischofs Williamson
nicht auf die an Rom gerichtete Merkel-Kritik reagiert. Und erst kürzlich
wieder, im Mai 2011,
hatte der Diplomat mit seiner Unzufriedenheit über die Beziehungen zum Heiligen
Stuhl nicht hinterm Berg gehalten, was auch Don Georg überraschte. Périsset
hatte sich bei Peter B. Wells, dem Assessor für die allgemeinen Angelegenheiten
im Staatssekretariat, schriftlich beschwert, zu manch »unbedeutender«
Angelegenheit werde seine Ansicht eingeholt, während »viele andere Themen
entschieden werden, ohne auch nur Kontakt aufzunehmen«.
Aber das ist noch nicht alles. Im Vatikan befürchtet man, dass der
Skandal um die Weltbild-Gruppe Anlass geben könnte, in der Vergangenheit zu
stöbern und womöglich peinliche Präzedenzfälle ans Licht zu zerren, über denen
bisher der Mantel des Schweigens lag. Tatsächlich ist es nicht das erste Mal,
dass die Finanzinteressen der Kirche sich auf höchst erstaunliche Weise mit dem
sehr einträglichen Geschäft der Erotik- und Pornoindustrie überschneiden. Das
ging so weit, dass man, wenngleich indirekt, von weltbekannten Sexsymbolen und
Hardcore-Pornostars wie Ilona Staller (Künstlername Cicciolina) und Moana Pozzi
finanziell profitierte. So war es auch im Fall des berühmtesten Sexklubs im
Italien der 80er-
und 90er-Jahre,
des »Teatrino« in Mailand, nur wenige Schritte vom Dom entfernt. Jahrelang
traten hier alle Diven des internationalen Porno-Jetsets auf. Ausgerechnet
dieses Gebäude befand sich im Besitz des Kapuzinerordens von Paternò, einem
sizilianischen Ort in der Nähe von Catania, denn der Orden hatte die Immobilie
von einem Landsmann, dem Unternehmer Michelangelo Virgillito, erhalten. Über
eine Stiftung, die auf den Namen des Unternehmers lautete, kassierten die Kapuziner
über Jahre hinweg die Miete, ohne irgendwelche Einwände zu erheben. Denjenigen,
die sich darüber irritiert zeigten, antwortete man unverfroren, mit dem Geld
würden doch gute Werke getan. Im Verwaltungsrat der Stiftung sitzen Mönche und
sogar ein Vertreter des Erzbischofs von Catania. Aber ist es richtig, dass die
Kirche mit dem Geld, das ihnen die pseudokoitalen erotischen Verrenkungen von
Pornostars einbringen, karitative Werke finanziert? Als die Sache ruchbar
wurde, stellte man den damaligen Erzbischof von Catania, Luigi Bommarito, zur
Rede. Dem »Teatrino« wurde gekündigt, und heute befinden sich dort die
nüchternen Schalter eines Postamts.
Die Sache mit Weltbild ist von größerer Tragweite, weil die
Verlagsgruppe in einer Zeit geringerer Spendenbereitschaft den Diözesen
wertvolle Einnahmen sichert. Doch die Strategie zur Überwindung des Problems
ist dieselbe, in Paternò wie in Deutschland. Auch die deutschen Diözesen
beschließen, die Verlagsgruppe Weltbild nicht zu verkaufen, sondern in eine
gemeinnützige Stiftung umzuwandeln, in die die Gesellschafteranteile überführt
werden sollen. Künftige Einnahmen sollen karitativen Zwecken zufließen. Noch
ist unklar, ob Esoterik- und Erotiktitel weiterhin im Sortiment bleiben. Falls
ja, wird auch dieses neue Feigenblatt nicht lange zum Verdecken taugen.
Schach dem Papst
Der Reichtum: vom christlichen Westen zum noch nicht
christianisierten Osten
Die Wirtschaftskrise setzt den Ökonomien der westlichen
Länder zu. Es sind Länder mit einer Gemeinschaft von großzügig spendenden
Gläubigen, die seit jeher ein Gespür für die Bedürfnisse der katholischen
Kirche haben: die USA, Deutschland,
Italien und Spanien. Die Krise in der Wirtschaft jener Länder wirkt sich
unweigerlich auf die Bilanzen der Kirche aus. Der Gesundheitszustand der Kassen
des Vatikans hängt von Spenden und Schenkungen ab. Würde die Kirche ärmer, so
würden ihr Einfluss und ihre Missionstätigkeit geringer.
Neben der Verarmung des traditionell reichsten Teils der Erde, in
dem die Katholiken die Mehrheit stellen, erleben wir gleichzeitig
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