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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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vorbereitet, daß er in den ersten Tagen nach der Operation alles andere als schön aussehen wird. Ich könnte mir denken, daß er ganz froh ist, wenn er mich ein paar Tage nicht sieht – oder besser gesagt, wenn ich ihn nicht sehe.«
    »Was für eine Operation ist es denn? Eine Schönheitsoperation?« Um Axels Mund spielte ein ironisches Lächeln. Er hob die Hand. »Aber das ist wohl in einem so jugendlichen Alter noch nicht nötig.«
    »Seine Tränenkanäle sind verstopft. Die müssen gewissermaßen gereinigt werden«, erklärte Bärbel. Sie wollte eigentlich hinzufügen, daß er so jung auch wieder nicht sei, aber sie zog es vor, über diesen Punkt zu schweigen. Sie blickte sich im Lokal um. Wieder fiel es ihr mit einer gewissen Besorgnis auf, wie alt eigentlich Peter war und wie jung doch die anderen Männer waren, die in diesem Lokal saßen und fröhlich-unbekümmert waren.
    »Der Champagner, bitte!« Die Bedienung war an den Tisch getreten und wollte den Sektkorken entfernen. Axel wehrte sich. »Lassen Sie mich das machen. Das ist Aufgabe des Gastgebers.« Mit einer eleganten Bewegung entfernte er den Korken, füllte die Gläser, ohne daß ein Tropfen danebenging, und hob sein Glas. »Ich freue mich auf unsere gemeinsame Fahrt morgen früh. Und ich hoffe, Sie werden es möglich machen, ein paar Tage länger zu bleiben. Ich möchte Ihnen so gern Paris zeigen – mein Paris«, fügte er hinzu. Er hob seinen Finger, nickte dem Gitarristen zu, der die ganze Zeit leise gespielt hatte. »Spielen Sie mein Lieblingslied!«
    Der Gitarrist nickte. Er schlug kurz in die Saiten, dann sang er dazu: »Parlez-moi d'amour …« Leise sang Axel die deutschen Worte mit: »Sprich mir von der Liebe …«

7
    Peter Sartorius erschrak. Irgend etwas um ihn herum bewegte sich. Er wußte nicht, was es war; er lag mit geschlossenen Augen da und überlegte, was mit ihm geschah. Er versuchte, seine Augen zu öffnen. Es gelang ihm nur mit Mühe. Seine Lider waren schwer wie Blei. Er mußte alle seine Kräfte zusammennehmen, um sie zu öffnen.
    Die Welt um ihn herum bewegte sich. Er glaubte zu träumen, bis er ein Gesicht sah, das sich über ihn beugte und das ihm bekannt vorkam. Er mußte in seiner Erinnerung kramen, die zäh wie dicker Brei war. Es dauerte lange, bis er wußte, daß es der alte Krankenpfleger war, dem das Gesicht gehörte. Jetzt dämmerte es ihm. Er lag auf einer fahrbaren Trage und wurde wahrscheinlich in den Operationssaal gefahren.
    Chiron bemerkte, daß sein Patient wach geworden war. Er nickte ihm freundlich zu. »Es geht in den OP«, erklärte er ihm.
    »Wie spät ist es?« Peters Stimme klang kloßig. Die Zunge wollte ihm nicht recht gehorchen. Er hatte Mühe, die Worte zu formulieren.
    »Halb sieben«, antwortete Chiron. »Schlafen Sie ruhig weiter. Sie brauchen nicht unbedingt dabeizusein, wenn Sie operiert werden – ich meine bei Bewußtsein. Wer schläft, sündigt nicht, und wer im Schlaf operiert wird, merkt nichts davon.«
    Einen Augenblick lang wollte Sartorius sich aufbäumen und wollte versuchen, gegen die Ohnmacht anzukämpfen, aber es gelang ihm nicht. Er warf noch einen Blick auf den Pfleger, der ihn jetzt in den Fahrstuhl schob und ihm freundlich zunickte. Dann schloß er wieder die Augen und überließ sich jenem Gefühl, das ihm den Eindruck vermittelte, nur aus Seele zu bestehen, körperlos geworden zu sein … Einen Augenblick lang glaubte er, gestorben zu sein. So mußte man sich nach dem Tode fühlen: schwebend, ohne irdische Hindernisse.
    Seine Gedanken wanderten zu Bärbel, die sich jetzt auf dem Wege nach Paris befinden mußte. Was hatte der Pfleger gesagt – halb sieben? Dann war sie auf dem Wege zum Bahnhof. Vielleicht stand sie schon auf dem Bahnsteig und wartete auf den Zug, der sie nach Paris bringen sollte, und dachte an ihn.
    Der Gedanke beflügelte ihn. Es war beruhigend zu wissen, daß wenigstens ein Mensch an ihn dachte. Sein Sohn tat es sicherlich nicht. Axel ging seine eigenen Wege und kümmerte sich nicht um ihn. Vor wenigen Jahren noch war er täglich zu ihm gekommen. Sie waren oft zusammen ausgegangen, hatten in einem netten Lokal zu Abend gegessen. Aber dann ließ Axel diese Beziehung immer mehr einschlafen. Es war, als bemühe er sich systematisch darum, ihn, seinen Vater, an das Alleinsein zu gewöhnen. Im letzten Jahr hatte er ihn nur selten gesehen. Von irgendwoher hatte er erfahren, daß er ein Lokal eröffnet hatte.
    Es hatte anfangs weh getan. Schließlich

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