Seine junge Geliebte
müßte allein fahren. Ich bin so ungern allein«, fügte er gleich hinzu. »Meistens trifft man ja unterwegs einen Menschen, mit dem man ins Gespräch kommt. Aber wenn man gleich mit ihm zusammen fahren kann – von Anfang an –, ist es natürlich fast ein Geschenk des Himmels. Willst du auch mitkommen?« wandte er sich an Johann, der schweigend dabeigesessen hatte.
Der Arzt hatte seine erste Enttäuschung überwunden. Er versuchte, ruhig zu sprechen, aber er konnte ein leises Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Schön wäre es! Aber du weißt doch selbst, daß ich die Klinik nicht so ohne weiteres verlassen kann. Ihr freien Künstler habt es viel besser. Ihr könnt fahren, wann ihr wollt, könnt Urlaub machen, so viel ihr wollt …«
»Ganz so einfach ist es auch nicht.« Axels Stimme klang ernst. »Ich bereite eine Ausstellung in Paris vor – im Montparnasse. Da hat sich eine neue Galerie aufgetan. Die wollen meine Bilder zeigen. Da muß ich morgen hin. Vielleicht begleiten Sie mich, wenn Sie Zeit haben?« wandte er sich an Bärbel. »Es macht oft sehr viel aus, wenn eine Frau dabei ist. Dann kann selbst der griesgrämigste Galerist nicht gegen meine Wünsche sein …«
»Um welche Zeit müssen Sie hin? Ich habe bestimmt morgen schon das erste Interview …«
»Ich kann hinkommen, wann ich will. Ich rufe den Galeristen vorher an und mache einen Termin mit ihm aus. Wann – ist völlig gleich. Die Galerie hat sowieso bis zum Nachmittag geöffnet. Ich finde es großartig!« Er griff nach der Sektflasche, die auf dem Tisch stand, füllte die leeren Gläser und lächelte. »Der Sekt wird noch warm, wenn wir ihn nicht trinken. Ich habe noch eine Flasche …«
Heidmann versuchte zu protestieren. »Das kannst du uns und dir doch nicht antun!«
»Warum nicht? Ich bin überzeugt, daß mir Bärbel –«, er griff wieder nach ihrer Hand, »ich darf Sie doch so nennen?«
»Aber sicher«, antwortete sie.
»Dann nennen Sie mich auch Axel. Es ist unkomplizierter. Nachnamen sind etwas Furchtbares. Ich kann sie mir nie merken. Was sagte ich doch? Ach ja, ich meinte, daß Bärbel mir Glück bringen wird. Und für das bißchen Glück, das wir alle so nötig haben, ist das Beste gerade gut genug.« Er winkte dem jungen Mann, der hinter der Theke stand. »Bring uns die zweite Flasche. Auf meine Rechnung«, fügte er hinzu, als er das erstaunte Gesicht des Obers sah.
»Wo wohnen Sie in Paris?« wandte er sich wieder an Bärbel, die ihr Glas jetzt vollends leerte.
»Der Verlag hat mir ein Zimmer im Hotel Méridien bestellt.«
»Den teuren Schuppen!« Erschrocken schaute Axel Bärbel an. »Da kostet eine Nacht mehr als zweihundert Mark.« Er schüttelte sich in komischem Entsetzen. »Das kann ich mir nicht erlauben. Ich wohne in einem bescheidenen Hotel im Herzen von Paris – im Hotel Saint André-des-Arts, beim heiligen Andreas von den Künsten«, übersetzte er. »Dazu ist man ja als Künstler regelrecht verpflichtet. Da kostet ein Zimmer weniger als ein Viertel von dem, was Sie zahlen. Übrigens – wenn Sie sparen wollen, dann ziehen Sie zu mir ins Hotel Saint André-des-Arts. Ich kenne den Besitzer gut. Wenn ich ihn bitte, macht er ein Zimmer frei.«
Heidmann schaute Bärbel vorwurfsvoll an. »Das werden Sie doch nicht tun!«
»Warum nicht? Wir schlafen ja nicht in einem Zimmer. Das Hotel hat eine ganze Reihe von Zimmern zu vermieten«, warf Axel ärgerlich ein.
»Nicht meinetwegen«, antwortete Johann scheinheilig. »Aber …« Er beschloß, aufs Ganze zu gehen. Er könnte Bärbel zwar nicht davon abhalten, mit seinem Schulkameraden nach Paris zu fahren, aber er mußte verhindern, daß Bärbel auch noch nachts mit Axel zusammen war. Er kannte seinen Freund zur Genüge und wußte, wie die Geschichte ausgehen würde.
»Aber – was wird denn Ihr Freund sagen, wenn er morgen operiert wird und Sie kommen nicht rechtzeitig zurück?«
»Sie haben einen Freund?« Axels Stimme klang erstaunt. Er blickte Bärbel kopfschüttelnd an. »Na ja – warum sollten Sie auch nicht? Das ist ja nur natürlich! Es wäre komisch, wenn eine junge Frau Ihres Alters keinen Freund hätte.«
»Er muß ein paar Tage in der Klinik bleiben, wie er mir sagte.« Sie warf einen ärgerlichen Blick auf Johann. »Ich nehme an, daß er in den ersten Tagen nach der Operation ganz froh sein wird, wenn ich nicht komme. Er wird nämlich an den Augen operiert«, wandte sie sich erklärend an Axel. »Und er hat mich schon darauf
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