Seine junge Geliebte
Notizbuch heraus und schlug es auf, »muß ich meinen Interview-Partner anrufen, um einen Termin auszumachen.«
»Und dann gehörst du mir.« Axel folgte Bärbel zum Telefon. »Dann fahren wir in die Stadt. Und dann –«, seine Stimme verlor ihre Traurigkeit und nahm den alten jungenhaften Ton an. »zeige ich dir mein Paris. Einverstanden?«
Bärbel nickte. »Einverstanden. Und –«, sie legte den Hörer, den sie bereits von der Gabel genommen hatte, wieder auf. »Dann werden wir zwei Tage lang alles um uns herum vergessen und nur für uns leben.«
»Zwei ganze Tage – achtundvierzig Stunden – zweitausendachthundertachtzig Minuten – einhundertzweiundsiebzigtausendachthundert Sekunden!« Seine Stimme klang immer jubelnder. Er drückte bei der letzten Zahl Bärbel an sich und küßte sie auf den Mund, bis sie sich atemlos von ihm frei machte.
»Die ersten Sekunden sind schon vergangen«, lachte sie. »Aber stimmt das auch mit den Sekunden?« Sie griff nach dem Bleistift, der neben dem Notizblock lag, schrieb Zahlen auf das Papier und rechnete nach. Dann blickte sie Axel erstaunt an. »Das stimmt! Ich bewundere dich. Du kannst so schnell im Kopf rechnen?«
Axel schmunzelte. »Leider nein«, bekannte er. »Ich kenne die Zahlen, weil ich sie mal für jemand ausgerechnet habe. Da sind sie mir im Gedächtnis haften geblieben. Aber man sollte viel öfter in Sekunden rechnen. Dann bekommt man gewaltige Zahlen zusammen. So – und nun –«, er nahm den Hörer ab und drückte ihn Bärbel in die Hand, »ruf deinen Knilch an, damit wir über unsere Zeit disponieren können.«
Peter Sartorius hielt kopfschüttelnd den Hörer in der Hand. Er war enttäuscht. Bärbels Stimme hatte kalt geklungen. Er hatte das Gefühl, daß sie ihn rasch abwimmeln wollte. Es fehlte die gewohnte Zärtlichkeit in ihrer Stimme, die sonst vorhanden war, wenn sie mit ihm telefonierte.
Er nahm den Zettel in die Hand, auf dem er die Nummer des Pariser Hotels notiert hatte. Er überlegte, ob er noch einmal zurückrufen und sie fragen sollte, was geschehen sei. Aber es war, als ob das Beruhigungsmittel durch die Aufregung jetzt wieder stärker wirkte. Die Zahlen tanzten vor seinen Augen und verschwammen. Er hätte sie selbst mit größter Anstrengung nicht richtig wählen können.
Resigniert ließ er den Hörer auf die Gabel fallen. Er fühlte sich mit einem Male ganz verlassen und einsam. Bärbel war doch der einzige Mensch, der zu ihm stand. Da war zwar noch sein Sohn, aber die Verbindung zu ihm war abgerissen.
Einen Augenblick lang bedauerte er es. Er hätte damals nicht so starrköpfig sein sollen und hätte dem Jungen den Willen lassen sollen. Aber nun war es zu spät, um etwas einzurenken. Außerdem war jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, sich an den Sohn zu wenden, von dem er nicht einmal die Wohnung kannte. Wenn er jetzt den Versuch unternommen hätte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, dann hätte der junge Mann gemeint, er brauche ihn.
Aber er brauchte ihn nicht! Er hatte ja Bärbel, er hatte einen Menschen, der zu ihm hielt, der ihm im wahrsten Sinne des Wortes gehörte.
Einen Augenblick lang kam ihm der Gedanke, daß ihn Bärbel auch einmal verlassen könnte. Hatte ihre Stimme nicht so merkwürdig geklungen? War da nicht vielleicht schon ein Riß entstanden?
Auf dem Flur ertönten Schritte und hielten vor seiner Tür. Es klopfte. Die Tür öffnete sich. Dr. Bruckner, Dr. Heidmann und Schwester Angelika traten ein. »Nachmittagsvisite!« erklärte die alte Schwester, als sie den erstaunt-fragenden Blick des Patienten auf sich gerichtet sah.
Dr. Bruckner trat an das Bett. Er beugte sich über den Patienten, betrachtete seine Augen und nickte zufrieden. »Es ist keine Nachblutung erfolgt. Zwar haben sich die Augen jetzt so blau gefärbt, als ob Sie einen Boxkampf überstanden hätten, aber das wird sich geben.«
»Kann ich einen Spiegel haben?«
»Ich sagte schon, daß wir es nicht gern haben, wenn sich unsere Patienten so kurz nach dem Eingriff betrachten.«
»Es macht mir nichts aus. Ich würde nur unruhig sein, wenn ich mich nicht sehen könnte.«
»Sie werden erschrocken sein …«
»Vielleicht möchte ich mir selbst Angst machen«, versuchte es Peter Sartorius mit einem makabren Scherz. »Außerdem«, er versuchte sich aufzurichten, sank aber wieder in die Kissen zurück, »ist es ja nicht schwer, sich anzuschauen. Sie vergessen, daß –«, Sartorius' Hand deutete auf das Waschbecken, »dort ein
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