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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ihm widersprach. Ich wußte damals nicht, daß er an einer eigenen Übersetzung arbeitete. Sonst h ä tte ich ihm noch heftiger widersprochen und wahrscheinlich dafür die Hosen herunterlassen müssen. Der gute alte Philpott s !«
    »Das sind für mich böhmische Dörfer «, bemerkte der Inspektor.
    »Verzeihung. Entsetzliche Angewohnheit von mir, so vom Thema abzuschweifen. Also zurück zum Maler. Er schwamm um die Felsen herum, und als er aus dem Meer herauskam, sah er einen Mann am Strand stehen – an seinem geliebten Strand, müssen Sie bedenken, den er als seine eigene geheiligte Zufluchtsstätte betrachtete. Er watete auf ihn zu und verwünschte den Pöbel der Feiertage, der sich überall mit seinen Zigarettenpä ckchen , seinen Kodaks und seinen Gram mophonen breitmachen mußte – und dann sah er, daß es ein Gesicht war, das er kannte. An jenem klaren, sonnigen Morgen erkannte er jede verhaßte Linie darin. Und so früh es auch war, schon stieg die Hitze wie ein Dunst über dem Meer auf.«
    »Ja, es war ein heißes Wochenende«, stimmte der Inspektor zu.
    »Und dann rief ihm der Mann etwas zu in seiner gezierten, eingebildeten Stimme. ›Nanu‹, sagte er, ›Sie hier? Wie haben Sie meinen kleinen Badestrand denn entdeckt?‹ Und das war zuviel für den Maler. Er hatte das Gefühl, als habe man ihm seine letzte Zufluchtsstätte geraubt. Er sprang ihm an die magere Kehle – wie Sie sehen, ist sie ziemlich sehnig mit einem vorstehenden Adamsapfel –, eine irritierende Kehle. Das Wasser gluckste um ihre Fü ß e, als sie hin- und herschwankten. Er spürte, wie seine Daumen in das Fleisch sanken, das er gemalt hatte. Er sah, und frohlockte darüber, wie die widerlichen , vertrauten Züge sich änderten , lila anliefen und bis zur Unkenntlichkeit anschwollen. Er beobachtete, wie die tiefliegenden Augen heraustraten und der dünne Mund sich verzerrte , als die geschwärzte Zunge sich vorschob – ich habe es doch hoffentlich nicht zu gruselig für Sie ausgemalt?«
    Der Inspektor lachte.
    »Kein biß chen. Sie verstehen es wunderbar, die Vorg ä nge zu schildern. S ie sollten ein Buch schreiben.«
    » Ich singe, wie der Vogel singt,
    der in den Zweigen wohnet«,
    erwiderte seine Lordschaft nachlässig und fuhr ohne weitere Bemerkung fort:
    »Der Maler erdrosselte ihn und schleuderte ihn zurück in den Sand. Er sah ihn an, und in seinem Herzen jubelte es. Dann streckte er die Hand aus und fand eine zerbrochene Flasche mit einer schon ausgezackten Kante. Mit Begeisterung machte er sich ans Werk und bearbeitete das Gesicht, das er so gut kannte und so verabscheute. Er löschte es aus, zerstörte es völlig .
    Dann saß er neben dem Werk, das er vollbracht hatte. Ihm wurde angst und bange. In des Kampfes Hitze waren sie vom Rande des Wassers zurückgetaumelt, und da waren seine Fußspuren und Blutflecke auf dem Sand. Sein Gesicht und sein Badeanzug waren mit Blut bespritzt, und er hatte seine Hand an der Flasche verletzt. Aber das gute Meer rollte ja immer noch herein. Er beobac htete, wie es über die Blutflec ken und die Fußspuren dahinrollte und die Geschichte seines Wahnsinns auslöschte . Er dachte daran, daß dieser Mann fortgegangen war, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Schritt für Schritt ging er zurück ins Wasser, und als es ihm bis zur Brust reichte, sah er die roten Flecke wie schwache Rauch wolken in der dunklen Blä ue der Flut verschwinden. Er watete und schwamm und tauchte sein Gesicht und seine Arme tief ins Wasser, wobei er sich von Zeit zu Zeit umwandte, um zu sehen, was er hinter sich zurückgelassen hatte. Als er die Landspitze erreichte und sich sauber und kühl aus dem Wasser auf die Felsen schwang, ist es ihm wahrscheinlich eingefallen , daß er die Leiche h ä tte mitnehmen und von der Ebbe ins Meer hinaustragen lassen sollen. Aber es war zu spät . Er war sauber, und der Gedanke, das Ding noch einmal anrühren zu müssen, war ihm unerträglich. Außerdem hatte er sich verspätet , und im Hotel wurde es Aufsehen erregen, wenn er nicht rechtzeitig zum Frühstück zurückkehrte. Er rannte leichten Schrittes über die Felsen und das Gras, wo er keine Spuren hinterlie ß . Dann zog er sich an und achtete darauf, daß er nichts zurücklie ß , das seine Gegenwart verraten kö nnte. Er nahm das Auto, das seine Geschichte erzählt haben würde, und hob sein Rad auf den Rücksitz unter die De ck en. Dann fuhr er – aber wohin er fuhr, das wissen Sie genausogut wie ich.«
    Lord Peter stand mit

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