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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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der Inspektor. »Ich verstehe mich nicht auf Künstler .«
    »Sie können es mir aber glauben. Der Maler porträtierte also den Mann, wie er ihn sah, und brachte die ganze kriecherische , höhnische , erbärmliche Seele auf die Leinwand, wo sie jeder sehen konnte.«
    Inspektor Winterbottom starrte das Porträt an, und das Porträt starrte höhnisch zurück.
    »Man kann es bestimmt kein schmeichelhaftes Bild nennen «, gab er zu.
    »Wenn nun ein Maler jemanden porträtiert «, fuhr Wimsey fort, »so erscheint ihm das Gesicht dieser Person niemals wieder so wie vorher. Es ist, als ob – womit soll ich es vergleichen ? Es ist, als ob ein Artillerist auf eine Landschaft blickt, in der er zufällig seine Stellung hat. Er sieht sie nicht als eine Landschaft. Für ihn hat sie keine magische Schönheit , keine herrlichen Formen, keine lieblichen Farben. Er sieht in ihr nur Deckung, Zielpunkte, Geschützeinschnitte. Und wenn der Krieg vorüber ist und er an diese Stelle zurückkehrt, wird er sie immer noch als Deckung, Zielpunkte und Geschützeinschnitte sehen. Es ist keine Landschaft mehr. Es ist eine Kriegskarte.«
    »Ich kenne das«, bestätigte Inspektor Winterbottom. »Ich war selbst Artillerist. «
    »Ein Maler wird genauso gr ausam vertraut mit jeder Linie e ines Gesichts, das er je gemal t hat«, fuhr Wimsey fort. »Und w enn es ein Gesicht ist, das er haßt, so haßt er es mit einem neuen und erregbaren Haß . Es ist eine fehlerhafte Drehorgel, die ewig dieselbe alte, rasend machende Melodie herunterleiert und an derselben Stelle stets dieselbe verdammte, falsche, gr äß liche Note produziert.«
    »Mein Gott! Wie Sie reden können!« stie ß der Inspektor hervor.
    »Ein solches Gefühl hatte der Maler bei dem Anblick des verhaßten Gesichts dieses Mannes. Den ganzen Tag und jeden Tag mußte er es ansehen. Er konnte ihm nicht entrinnen, weil er an seine Arbeit gebunden war.«
    »Er hä tte sich freimachen sollen«, meinte der Inspektor. »Es hat keinen Zweck, auf die Dauer mit unsympathischen Leuten zu arbeiten.«
    »Jedenfalls hat er sich gesagt, er könne während seiner Fe rien für eine kleine Weile entkommen. Er kannte da einen schonen, ruhigen, kleinen Fleck an der Westküste, der abseits vom großen Getriebe lag. Dort war er schon öfters gewesen, um zu malen. Oh! Da fä llt mir ein – ich kann Ihnen noch ein Bild zeigen.«
    Er trat an einen Schrank und zog aus einer Schublade ein Gemälde auf Holz.
    »Dies habe ich vor zwei Jahren auf einer Ausstellung in Manchester gesehen, und ich erinnerte mich zufällig an den Namen des Händlers , der es gekauft hatte.«
    Inspektor Winterbotto m starrte das Gemälde mit offenem Munde an.
    »Das ist aber doch East Felpham!« rief er aus.
    »Ja. Es ist nur mit T. C. g ezeichnet, aber die Technik ist ganz unverkennbar. Meinen Sie nicht auch?«
    Der Inspektor hatte von Technik wenig Ahnung, aber auf Anfangsbuchstaben verstand er sich. Sein Blick wanderte vom Porträt zur bemalten Holztafel und wieder zurück zu Lord Peter.
    »Der Maler – «
    »Crowder?«
    »W enn Sie nichts dagegen haben, mö chte ich ihn weiterhin als den Maler bezeichnen. Der Maler packte also seinen Kram auf den Träger seines Fahr rades und fuhr mit seinen zerquä lten Nerven zu diesem heimlichen, geliebten Fleck, um do rt ein ruhiges Wochenende zu verbringen. Er wohnte in einem ruhigen, kleinen Hotel in d er Nachbarschaft, und jeden Mor gen radelte er zu diesem hübschen Strand, um dort zu baden. Im Hotel hat er nie davon gesprochen, denn es war sein Platz, und er wollte nicht, daß andere Leute ihn auch entdeckten .«
    Inspektor Winterbottom legte die Holztafel auf den Tisch und schenkte sich Whisky ein.
    »Eines Morgens – es war zufällig der Montagmorgen« – Wimse ys Stimme wurde langsamer und zögernder – » erschien er dort wie üblich. Die Flut war noch nicht ganz da, aber er lief über die Felsen zu der ihm bekannten tiefen Badestelle und sprang hinein. Er schwamm umher und ließ die kleine, mi ß t ö nende Stimme seines Ärgers im unendlichen Gel ä chter des Meeres untergehen. «
    »Wie?«
    »ÊõìÜ ôùí ÜíÞñéàìïí ãÝëáóìá – ein Zitat aus den Klassi kern. Es bedeutet so etwas wie: ›das Plätschern der nahenden Flut, das an Prometheus Ohr drang da oben auf dem einsa men Gipfel, wo der Geier an seinem Herzen nagte.‹ Ich weiß noch, daß ich mich in der Schule mit meinem alten Lehrer Philpotts darüber stritt und einen über die Knöchel gezogen bekam, weil ich

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