Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
hatte, nachdenklich den kleinen Haufen von geschwärzten Siebensachen um, der den Inhalt von Prendergasts Tasch en darstellte. Es war nichts Be merkenswertes darunter. Die lederne Brieftasche enthielt noch die Überreste eines ziemlich dicken Banknotenbündels – zweifellos Bargeld für die Ferien in Worthing. Die goldene Uhr war um sieben Minuten nach neun stehengeblieben. Wimsey machte eine Bemerkung über ihren guterhaltenen Zustand. Er erklärte sich wohl aus ihrer geschützten Lage zwischen dem linken Arm und dem Körper .
    »Es hat den Anschein, als ob die erste plötzliche Glut ihn regelrecht übermannt hatte«, meinte der Polizeii nspektor. »Er hat offensichtlich keinen Versuch gemacht, ins Freie zu kommen, ist einfach über das Steuerrad gefallen und mit dem Kopf auf das Armaturenbrett geschlagen. Deshalb ist das Gesicht so entstellt. Ich werde Ihnen nachher die Überreste des Wagens zeigen, Mylord. Wenn der andere Herr sich besser fühlt, wollen wir erst einmal die Leiche vornehmen.«
    Die Leiche »vorzunehmen« erw ies sich als eine ebenso langwierige wie unangenehme Aufgabe. Mr. Lamplough, der seine ganze Kraft zusammennahm, prüfte sorgfaltig mit Zange und Sonde die Kiefer, welche durch die Hochofenhitze fast bis zur Knochenstruktur reduziert waren, während der Poli zeiarzt den Befund mit den Eint ragungen in den Büchern verglich. Mr. Prendergasts zahnärztliche Behandlung hatte sich über mehr als zehn Jahre erstreckt, und z wei oder drei Füllungen stammten aus einer früheren P e riode, was bei seinem erste n Besuch bei Mr. Lamploughs Vorgänger bemerkt worden war.
    Am Ende der langen Untersuchung blickte der Polizeiarzt von den Notizen, die er sich gemacht hatte, auf.
    »Wir wollen das noch einmal kontrollieren«, schlug er vor. »Wenn wir berücksichtigen, daß alte Arbeiten erneuert worden sind, haben wir wohl ein ziemlich genaues Bild von der jetzigen Verfassung seines Gebisses. Es sollten im ganzen neun Füllungen vorhanden sein. Kleine Amalgamf ü llung im rechten unteren Weisheitszahn, große Amalgamf ü llung rechts unten erster hinterer Backenzahn, Amalgamf ü llungen rechts oben im ersten und zweiten vorderen Backenzahn am Berührungspunkt, rechter oberer Schneidezahn Stiftkrone. Stimmt's?«
    »Ich denke, ja«, erwiderte Mr. Lamplough. »Nur scheint der rechte obere Schneidezahn ganz zu fehlen. Aber vielleicht hatte sich die Krone gelockert und ist herausgefallen.« Er sondierte vorsichtig. »Der Kiefer ist sehr spröde – ich kann den Wurzelkanal nicht entdecken – aber es spr icht nichts da gegen.«
    »Die Krone finden wir vielleicht nachher in der Garage«, meinte der Inspektor.
    »Linke Seite«, fuhr der P olizeiarzt fort. »Gebrannte Por zellanfüllung im oberen Eckzahn, Amalgamf ü llungen oben erster vorderer Backenzahn, unten zweiter vorderer Backenzahn und unten zweiter hin terer Backenzahn. Das scheint alles zu sein. Weder fehlende noch künstliche Zähne . Wie alt war dieser Mann, Inspektor?«
    »Ungefahr fünfundvierzig, Doktor.«
    »Genau so alt wie ich. Ich wünschte, ich h ä tte so gute Zähne «, seufzte der Arzt, und Mr. Lamplough pflichtete ihm bei.
    »Dann können wir also annehmen, daß es Mr. Prendergast ist«, meinte der Inspektor. »Bleibt nur noch die Frage, ob es sich um einen Unfall oder um Selbstmord handelt.«
    »Ziemlich abgelegen für einen Zahnarzt«, bemerkte Mr. Lamplough, als sie bei einigen verstreuten Häusern am Stadt rand anlangten.
    Der Inspektor schnitt eine Grimasse.
    »Ganz meine Meinung, Si r, aber Mrs. Prendergast überredete ihren Mann, sich hier draußen niederzulassen. So schon es für die Kinder ist, so ungünstig ist es für die Praxis. Ich sage Ihnen offen, daß Mrs. Prendergast einigen Anlaß zu der Selbstmordtheorie gab.«
    Ein Menschenknä uel drängte sich vor dem Gartentor eines Einfamilienhauses am Ende einer Reihe ähnlicher Hauser. Von einem Trümmerhaufen im Garten wehte ein ekelhafter Brandgeruch herüber. Der Inspektor ging den anderen voran durch das Tor, begleite t von den Bemerkungen der Umste henden.
    »Aha, der Inspektor... Das dort ist Dr. Maggs... Das ist wohl auch ein Arzt, der mit der Tasche... Wer kann denn das sein?... Pah, wahrscheinlich der Versicherungsagent...«
    Wimsey grinste unschicklich vor sich hin, während sie den Gartenpfad hinuntergingen. Der Anblick des Wagengerippes inmitten der nassen, geschwärzten Überreste der Garage stimmte ihn wieder ernst. Zwei mit einem Sieb über Asche und Schutt gebeugte

Weitere Kostenlose Bücher