Seine Lordschaft lassen bitten
einer ungeduldigen Bewegung auf und trat an das Bild heran, wo er nachdenklich mit dem Daumen über die Textur des Gemäldes strich.
»Man kann ja sagen, wenn er das Gesicht so haßte, warum hat er nicht das Bild zerstört ? Das konnte er nicht. Es war das Beste, was er je geschaffen hat. Er nahm hundert Guineen dafür. Das war billig. Aber ich glaube, er fürchtete sich, es mir abzuschlagen. Mein Name ist ziemlich bekannt. Es war wohl eine Art Erpressung. Aber ich wollte das Bild unbedingt haben.«
Inspektor Winterbottom lachte wieder.
»Haben Sie Erkundigungen eingezogen, Mylord, ob Crowder sich wirklich in East Felpham aufgehalten hat?«
»Nein.« Wimsey drehte sich jäh um. »Ich habe überhaupt nichts unternommen. Das ist Ihre Sache. Ich habe Ihnen die Geschichte erzählt, aber ich h ä tte, weiß Gott, viel lieber geschwiegen .«
»Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen.« Der Inspektor lachte zum drittenmal. »Es ist ohne Frage eine gute Geschichte, Mylord, und vortrefflich erzählt. Aber wie Sie schon sagten, ist es ein Mä rchen. Wir haben diesen Italiener gefunden – Francesco nannte er sich, und er ist schon der richtige Mann.«
»Woher wissen Sie das? Hat er ein Geständnis abgelegt?«
»Praktisch ja. Er ist tot. Hat sich umgebracht. Der Frau hinterließ er einen Brief, indem er sie um Verzeihung bittet und sagt, Mordgedanken seien in ihm aufgestiegen, als er sie mit Plant zusammen gesehen habe. ›Ich habe mich‹, so schreibt er wörtlich , ›an dem gerächt , der es wagte, dich zu lieben.‹ Er hat es wohl mit der Angst bekommen, als ihm klar wurde, daß wir hinter ihm her sind – ich wollte, die Zeitungen würden diese Verbrecher nicht immer warnen –, und hat sich dann das Leben genom men, um nicht gehä ngt zu werden. Ich kann wohl sagen, es war eine Enttäuschung für mich .«
»Das kann ich mir vorste llen«, sagte Wimsey. »Sehr unbe friedigend natürlich. Aber ich bin froh, daß meine Geschichte doch nur ein Mä rchen ist. Wollen Sie schon gehen?«
»Die Pflicht ruft«, erwiderte der Inspektor und w ä lzte sich aus seinem Sessel. Es freut mich sehr, Sie kennengelernt zu haben, Mylord. Und es war mein voller Ernst, als ich sagte, Sie sollten sich der Literatur zuwenden.«
Als er fort war, stand Wimsey immer noch vor dem Portr ä t.
»›Was ist Wahrheit?‹ sagte der spöttelnde Pilatus. Kein Wunder, da sie vollständig unglaublich ist... ich k ö nnte es beweisen... wenn ich wollte... aber der Mann hatte ein Schurkengesicht, und es gibt so wenige gute Maler auf der Welt.«
Feuerwerk
»Na, alter Junge«, sagte Mr. Lamplough, »was kann ich für dich tun?«
»Der Brummer wird wohl in Aktion treten müssen «, meinte Lord Peter Wimsey, wahrend er sich auf dem mit grünem Leder bezogenen Marterstuhl nieder ließ und mit einer Grimasse des Abscheus auf den Bohrer deutete. »Links oben ist mir ein Backenzahn abgebrochen, und ausg erechnet, als ich ein Omelett aß . Es ist mir schleierhaft, warum das bei solchen Gelegenheiten passiert. Wenn ich nun Nüsse geknackt oder auf einem Pfefferminzbonbon herumge kaut hä tte...«
Mr. Lamplough machte eine besänftigende Bemerkung und zog mit magischem Griff einen Spiegel mit elektrischer Birne aus dem Zauberkasten zu Lord Peters Linken. »Schmerzen?«
»Keine Schmerzen«, erwiderte Wimsey gereizt, » abgesehen von einer scharfen Kante, die mir fast die Zunge absagt. Ich frage mich nur: was soll das? Ich habe dem Zahn doch nichts getan.«
»Nein?« sagte Mr. Lamplough in halb professionellem, halb freundschaftlichem Ton, denn er hatte auch die Win chester-Schule besucht und gehörte zu einem von Wimseys Klubs. In ihrer Jugend hatten sie häufig miteinander Kricket gespielt. »Wenn du mal eine Sekunde den Schnabel halten wolltest, kö nnte ich mir den Schaden ansehen. Aha!«
»Sag nicht ›Aha!‹ in diesem Ton, als ob du Paradentose und Kieferschwund entdeckt h ä ttest und dich vor Freude nicht lassen kö nntest, alter Blutsauger. Bohr ihn aus, stopf die Füllung hinein, und fertig. Was hast du übrigens aus gefressen? Ich bin einem Polizeii nspektor auf deiner Schwelle begegnet. Du brauchst gar nicht so zu tun, als sei er seines Gebisses wegen gekommen, ich habe nämlich geseh en, daß sein Wachtmeister drauß en auf ihn wartete.«
»Ja, das ist eine ziemlich merkwürdige Angelegenheit«, sagte Mr. Lamplough, während er seinen Freund geschickt mit einer Hand knebelte und ihm mit der anderen Watte in den hohlen Zahn stopfte.
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