Seine Lordschaft lassen bitten
willst. Groß o nkel Joseph scheint dich ja auße rordentlich zu interessieren.«
»Wo wir schon da von sprechen, dachte ich, ich kö nnte vielleicht einen Bekannten von mir aufsuchen, der ebenfalls in der Schiffbauindustrie tätig ist, und einmal hören, ob er etwas über den Verbleib des Geldes weiß.«
»Wenn du das fertigbringst, verleiht dir Vetter Robert eine Medaille. Aber wenn du wirklich deine Künste als Detektiv an diesem Problem verschwenden willst , hielte ich es für rich tiger, wenn du die Etage in Glasgow durchsuchtest.«
»Gute Idee – wie lautet übrigens die Adresse?«
Macpherson nannte sie ihm.
»Ich will es mir no tieren, und wenn mir etwas einfä llt, werde ich mich mit Vetter Robert in Verbindung setzen. Wo hat er denn seine Zelte aufgeschlagen?«
»Oh, er ist in London in einem Rechtsanwaltsbüro. Crosbie Plump, irgendwo in Bloomsbury. Robert wollte eigentlich ein schottischer Barrister werden, aber er kam nicht zu Rande, und da haben sie ihn zu den Engländern abgeschoben . Sein Vater starb vor einigen Jahren – er war Rechtsanwalt in Edinburgh –, und ich glaube, Robert ist seitdem ziemlich auf den Hund gekommen. Er ist da unten in eine fidele Gesellschaft geraten und hat den Zaster rollen lassen.«
»Schrecklich! Die Schotten d ü rften ihr Land eigentlich nicht ve rlassen. Was willst du mit Groß onkel machen?«
»Ich weiß nicht so recht. Erst werde ich ihn wohl noch behalten. Ich mochte den alten Burschen ganz gern und mö chte ihn nicht wegwerfen. Er wird sich ganz gut in meinem Sprechzimmer ausmachen, wenn ich mich niedergelassen habe. Meinst du nicht auch? Ich werde sagen, es ist ein Geschenk von einem dankbaren Patienten, an dem ich eine wunderbare Operation ausgeführt habe.«
»Das ist keine schlechte Idee. Magenverpflanzung. Ein Wunder der Operationskunst . Noch nie zuvor versucht. Groß onkel wird die Leidenden in Scharen herbeilocken.«
»Der gute alte Groß onkel – er stellt vielleicht doch noch ein Vermögen für mich dar.«
»Das kann gut möglich sein. Du hast wohl nicht zufällig eine Fotografie von ihm?«
»Eine Fotografie?« Macp herson starrte ihn wieder an. »Groß onkel scheint eine Leidenschaft von dir zu werden. Ich glaube nicht, daß sich der alte Herr in den letzten dreißi g Jahren hat fotografieren lassen. Eine Aufnahme wurde gemacht, als er sich zur Ruhe setzte, und die wird Robert wohl haben.«
»Och aye«, sagte Wimsey in der Sprache des Landes.
Wimsey ver ließ Schottland noch am selben Abend. Auf dieser Nachtfahrt nach London dachte er tief nach. Er handhabte das Steuer ganz mechanisch und fuhr hin und wieder zur Seite, um den grünen Augen der Kaninchen auszuweichen , die auf die Mitte der Straße taumelten, um dort wie fasziniert im grellen Scheinwerferlicht hocken zu bleiben. Er behauptete immer, sein Gehirn funktioniere besser, wenn seine Aufmerksamkeit durch die Zwischenfälle der Straße in Anspruch genommen sei. Am Montagmorgen hatte er seine Angelegenheiten in der Stadt erledigt und seinen Denkprozeß beendet. Eine Konsultation bei seinem Freu nde, dem Schiff bauer, klärte ihn über Großonkel Josephs Vermögensverhältnisse auf, und durch den Londoner Vertreter der Glasgower Firma, zu der er gehört hatte, gelangte er in den Besitz einer Fotografie. Es stellte sich heraus, daß der alte Ferguson zu seiner Zeit ein bedeutender Mann gewesen war. Das Bild zeigte ein feines, strenges, altes Gesicht mit langer Oberlippe und hohen Backenknochen – eines jener Gesichter, die sich im Laufe des Lebens wenig verändern. Wimsey betrachtete die Fotografie mit großer Befriedigung und ließ sie in die Tasche gleiten. Dann ging er schnurstracks zum Somerset - Haus.
Hier wanderte er schüchtern in der Testamentsabteilung umher, bis ein uniformierter Beamter sich seiner erbarmte und ihn nach seinem Begehren fragte.
»Oh, ich danke Ihnen«, sagte Wimsey überschwenglich, »ich danke Ihnen tausendmal. An solchen Orten fühle ich mich immer so nervös. Alle diese großen Tische und dergleichen, wissen Sie, so ehrfurchtgebietend und geschäftsmäßig. Ja, ich möchte nur eben einen kurzen Blick auf ein Testament werfen. Mir wurde gesagt, man könne für einen Shilling jedes beliebige Testament einsehen. Ist das wirklich so?«
»Selbstverständlich, Sir. Hatten Sie an ein bestimmtes Te stament gedacht, Sir?«
»Ja, natürlich. Eigentlich merkwürdig, daß nach dem Tode eines Menschen jeder Fremde in seinen Privatangelegenheiten herumschnüffeln
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