Seine Lordschaft lassen bitten
fünfzehn Jahre in dieser Abteilung, und so etwas ist noch nie vorgekommen. «
»Das glaube ich wohl«, meinte Wimsey, »im allgemeinen besteht keine lebhafte Nachfrage nach Ihren Artikeln hier.«
»Es ist wirklich höchst merkwürdig«, ließ sich der Fremde vernehmen, und aus seiner Stimme klang deutliches Mißfallen.
»Familienmitglied?« erkundigte sich Wimsey.
»Ich bin ein Mitglied der Familie«, gab das Fuchsgesicht zur Antwort. »Darf ich fragen, ob sie zu uns in verwandtschaftlichen Beziehungen stehen?«
»Selbstverständli ch«, erwiderte Wimsey huldvoll.
»Das glaube ich nicht. Ich kenne Sie gar nicht.«
»Nein, nein – ich meinte, Sie dürfen selbstverständlich fragen.«
Der junge Mann fletschte regelrecht die Zähne.
»Wollen Sie mir vielleicht verraten, wer Sie sind und warum Sie eine so verdammte Neugierde für das Testament meines Großonkels bezeugen?«
Wimsey zog eine Karte aus seiner Brieftasche und präsentierte sie mit einem Lächeln. Mr. Robert Ferguson wurde rot.
»Wenn Sie Referenzen über mein Ansehen wünschen«, fuhr Wimsey liebenswürdig fort, »so wird Mr. Thomas Macpherson mit dem größten Vergnügen Auskunft über mich erteilen. Ich bin neugierig – studiere die Menschheit. Ihr Vetter erwähnte mir gegenüber die merkwürdige Klausel, die sich auf den – hm – Magen und Zubehör Ihres geschätzten Großonkels bezieht. Merkwürdige Klauseln sind meine Leidenschaft. Ich kam hierher, um sie einzusehen und meiner Sammlung merkwürdiger Testamente einzuverleiben. Ich bin damit beschäftigt, ein Buch zu schreiben über das Thema – Klauseln und Konsequenzen. Meine Verleger sind der Ansicht, daß es einen großen Absatz finden wird. Ich bedaure, daß ich mit meinen beiläufigen Notizen Sie von Ihren zweifellos ernsthaften Studien abgehalten habe. Ich wünsche Ihnen einen sehr guten Morgen.«
Als er mit strahlendem Gesicht zur Tür hinausging, hörte Wimsey, der scharfe Ohren hatte, wie der Beamte den empörten Ferguson darüber informierte, das er (Wimsey) »ein sehr komischer Herr, der nicht alle fünfe beisammen habe«, sei. Anscheinend war sein Ruf als Detektiv noch nicht bis in die ruhigen Winkel von Somerset-House vorgedrungen.
»Aber«, sagte Wimsey vor sich hin, »ich fürchte sehr, ich habe Vetter Robert einen Floh ins Ohr gesetzt.«
Unter dem Ansporn dieses aufregenden Gedankens verschwendete Wimsey keine Zeit, sondern nahm ein Taxi bis Hatton Garden, um dort einem Freund einen Besuch abzustatten. Obwohl dieser Herr eine gebogene Nase und fleischige Augenlider besaß, kam er doch unter Mr. Chestertons Definition eines netten Juden. Denn sein Name war weder Montagu noch McDonald, sondern Nathan Abrahams, und er begrüßte Lord Peter mit einer Gastlichkeit, die an Begeisterung grenzte.
»Hocherfreut, Sie zu sehen. Nehmen Sie Platz und trinken Sie ein Gläschen. Sie sind wohl endlich gekommen, um die Diamanten für die zukünftige Lady Peter auszusuchen, wie?«
»Noch nicht«, entgegnete Wimsey.
»Nein? Das ist ja schade. Sie sollten sich beeilen und einen Hausstand gründen. Es wird höchste Zeit. Vo r J ahren haben wir doch ausgemacht, daß ich die Ehre haben sollte, die junge Frau für diesen glücklichen Tag auszuschmücken. Ich muß immer daran denken, wenn die schönen Steine durch meine Hände gleiten. Ich sage dann: ›Das wäre das Richtige für meinen Lord Peter.‹ Aber ich höre nichts und verkaufe sie an dumme Amerikaner, die nur an den Preis und nicht an die Schönheit denken.«
»Früh genug, an die Diamanten zu denken, wenn ich die Dame gefunden habe.«
Mr. Abrahams hob die Hände.
»O ja! Und dann wird alles übereilt! ›Schnell, Mr. Abrahams! Ich habe mich geste rn verliebt und heirate morgen.‹ Aber es kann Monate – Jahre – dauern, bis man vollkommene Steine findet, die zusammenpassen. Das geht nicht von heute auf morgen. Ihre Braut wird am Hochzeitstag etwas Fertiges vom Juwelier tragen.«
»Wenn drei Tage für die Wahl einer Frau genügen«, meinte Wimsey lachend, »dann dürfte ein Tag für die Wahl einer Halskette ausreichen.«
»So machen es die Christen nun mal«, erwiderte der Diamantenhändler resigniert. »Sie nehmen es nicht so wichtig. Sie denken nicht an die Zukunft. Drei Tage, um sich eine Frau zu nehmen. Kein Wunder, daß die Scheidungsanwälte soviel zu tun haben. Mein Sohn Moses heiratet nächste Woche. Das wurde bereits vor zehn Jahren arrangiert. Es ist Rachel Goldstein. Ein braves Mädchen, und ihr Vater hat eine
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