Seine Lordschaft lassen bitten
hörte nichts und kam an nichts vorbei. Die Nacht war jetzt heller, und er stellte noch einmal fest, daß es keine Seitenstraßen gab. Was das D ing, das er gesehen hatte, auc h gewesen sein mochte, es war irgendwo am Rande der Gemeindewiese verschwunden, es hatte nicht die Hauptstraße benutzt noch irgendeine andere.
Wimsey kam reichlich spät am nächsten Morgen zum Frühstück herunter und fand seine Gastgeber in ziemlicher Aufregung.
»Es ist etwas ganz Ungewöhnliches passiert«, rief Mrs. Frobisher-Pym ihm zu.
»Himmelschreiend!« setzte ihr Mann hinzu. »Ich habe Hancock ja gewarnt – das kann er nicht abstreiten. Aber wie man auch über sein Getue denken mag, für ein so abscheuliches Betragen läßt sich keine Entschuldigung finden. Wehe, wenn ich die Burschen in die Hände bekomme, wer sie auch sein mögen – «
»Was ist denn los?« fragte Wimsey und nahm sich von den geschmorten Nieren, die auf dem Büfett standen.
»Einfach skandalös!« erklärte Mrs. Frobisher-Pym. »Der Vikar ist sofort zu Tom gekommen – hoffentlich haben wir Sie nicht mit all dem Theater gestört. Als Mr. Hancock heute morgen um sechs Uhr zur Kirche kam, um den Frühgottesdienst zu halten – «
»Nein, nein, meine Liebe, so kannst du nicht beginnen. Laß mich erzählen. Als Joe Grinch – das ist der Küster, wissen Sie, und er muß zuerst dasein, um die Glocken zu läuten – als er ankam, fand er das Südportal weit offen und niemanden in der Kapelle, wo sie doch neben dem Sarg Wache halten sollten. Er war natürlich ganz bestürzt, dachte sich aber, daß Hubbard und der junge Rawlinson der Sache vielleicht überdrüssig geworden und nach Hause gegangen seien. Also ging er zur Sakristei, um die Meßgewänder und das alles zurechtzulegen, und hörte zu seinem Erstaunen Frauenstimmen darin, die ihm etwas zuriefen. Er war so verwirrt, daß er nicht mehr wußte, wo er sich befand. Dann ist er aber hingegangen und hat die Tür aufgeschlossen – «
»Mit seinem eigenen Schlüssel?« fragte Wimsey.
»Der Schlüssel steckte in der Tür. In der Regel hängt er an einem Nagel unter einem Vorhang bei der Orgel. Aber diesmal steckte er im Schloß – wo er nichts zu suchen hatte. Und drinnen fand er Mrs. Hancock und ihre Tochter, die vor Angst und Ärger halb tot waren.«
»Du lieber Himmel!«
»Das kann man wohl sagen. Sie hatten eine höchst seltsame Geschichte zu erzählen. Um zwei Uhr hatten sie die Wache abgelöst und waren, wie vorgesehen, am Sarg in der Marienkapelle niedergekniet, um die Gebete zu sprechen. Nach ihrer Schätzung hörten sie etwa zehn Minuten später vom Hochaltar her ein Geräusch, als schleiche jemand dort herum. Miss Hancock besitzt ziemlich viel Mut. Sie erhob sich und ging im Dunkeln den Gang entlang. Mrs. Hancock folgte ihr, weil sie nicht allein gelassen werden wollte. Als sie bis zum Altargitter gekommen waren, rief Miss Hancock laut: ›Wer ist da?‹ Daraufhin hörte sie ein Rascheln und einen Laut, als sei etwas umgeworfen worden. Miss Hancock griff äußerst mutig nach einem Stab des Kirchenvorstehers, der am Chorgestühl befestigt war, und ging vor im Glauben, daß jemand versuchte, die Ornamente vom Altar zu stehlen. Es ist da ein sehr schönes Kreuz aus dem fünfzehnten Jahrhundert – «
»Laß das Kreuz aus dem Spiel, Tom. Das wurde jedenfalls nicht gestohlen.«
»Nein, aber Miss Hancock befürchtete es. Gerade als sie bei den Altarstufen anlangte und Mrs. Hancock, die dicht hinter ihr war, sie zur Vorsicht mahnte, stürzte jemand aus dem Chorgestühl, packte sie am Arm und stieß sie, wie sie sich ausdrückte, in die Sakristei. Bevor sie überhaupt Atem holen konnte, um zu schreien, wurde Mrs. Hancock ebenfalls hineingeschoben und die Tür zugeschlossen.«
»Herrje! In Ihrem Dorf geht es aber lebhaft zu.«
»Na, sie hatten natürlich furchtbare Angst, denn sie konnten doch nicht wissen, ob diese Schurken zurückkommen und sie umbringen würden. Auf jeden Fall nahmen sie an, daß ein Kirchendiebstahl geplant war. Aber die Fenster der Sakristei sind sehr eng und vergittert. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als zu warten. Sie versuchten zu lauschen, konnten aber nicht viel hören. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, daß die Vier-Uhr-Wache früh kommen und die Diebe überraschen würde. Doch sie warteten und warteten und hörten es vier Uhr schlagen, dann fünf, und niemand kam.«
»Wo waren denn dieser Dingsda und Rawlinson geblieben?«
»Das konnte keiner sagen, auch
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