Seine Lordschaft lassen bitten
ansehen. Ich bin selbst kaum darin gewesen.«
»Es lohnt sich schon«, meinte Mr. Frobisher-Pym. »Feiner alter Besitz. Gehört aber viel Geld dazu, um ihn richtig instand zu halten. Hat man das Testament immer noch nicht gefunden, Mr. Burdock?«
»Immer noch nicht«, lautete die Antwo rt. »Es ist merkwürdig, weil M r. Graham – das ist der Rechtsanwalt, Lord Peter – bestimmt eins aufgesetzt hat, und zwar unmittelbar nach der unglücklichen Auseinandersetzung zwischen Martin und meinem Vater. Er kann sich noch ganz deutlich darauf besinnen.«
»Kann er sich nicht an den Inhalt erinnern?«
»Das wohl schon. Aber die Etikette verbietet es ihm, darüber zu sprechen. Er ist noch einer vom guten alten Schlag. Der arme Martin nannte ihn immer einen alten Gauner, aber Martin war auch nicht gut bei ihm angeschrieben und daher wohl kaum ganz objektiv. Außerdem ist das alles, wie Mr. Graham betont, schon etliche Jahre her, und es ist durchaus möglich, daß der alte Herr das Testament später vernichtet oder in Amerika ein neues gemacht hat.«
»Der ›arme Martin‹ scheint in dieser Gegend nicht sehr beliebt gewesen zu sein«, bemerkte Wimsey zu Mr. Frobisher - Pym auf dem Heimwege.
»N-nein«, gab der Friedensrichter zu. »Jedenfalls nicht bei Graham. Ich persönlich habe den Burschen ganz gern gehabt, wenn er auch ein bißchen leichtsinnig war. Zeit und Heirat werden ihn wohl vernünftiger gemacht haben. Merkwürdig, daß das Testament nicht zu finden ist. Aber wenn es nach dem Spektakel aufgesetzt wurde, muß es ja zu Havilands Gunsten sein.«
»Das denkt Haviland, glaube ich, auch«, meinte Wimsey. »Er trug eine unterdrückte Befriedigung zur Schau. Der diskrete Graham hat sicher durchblicken lassen, daß der abscheuliche Martin nicht der Begünstigte war.«
Am nächsten Morgen war das Wetter schön, und Wimsey, der in Little Doddering Ruhe und frische Luft genießen sollte, bat noch einmal um Polly Flinders. Sein Gastgeber willigte mit Vergnügen ein und bedauerte nur, nicht mit ausreiten zu können, da er an einer Sitzung der Armenbehörde teilnehmen mußte.
»Sie könnten sich auf der Gemeindewiese ordentlich durchwehen lassen«, schlug er vor. »Reiten Sie über Petering Friars bis zum Totenmann-Pfosten und kommen Sie über die Frimpton Straße zurück. Ein netter Rundritt – ungefähr neunzehn Meilen. Sie können bequem zum Lunch wieder zurück sein.«
Wimsey ging auf den Plan ein – zumal er mit seinem eigenen Vorhaben übereinstimmte. Er wollte sich aus einem bestimmten Grunde die Frimpton Straße bei Tageslicht ansehen.
»Seien Sie vorsichtig am Totenmann-Pfosten«, warnte Mrs. Frobisher-Pym etwas besorgt. »Die Pferde scheuen dort. Ich weiß nicht warum. Man sagt natürlich – «
»Alles Unsinn«, schalt ihr Mann. »Die Dörfler mögen den Platz nicht, und das macht die Pferde nervös. Merkwürdig, wie die Gefühle eines Reiters sich auf sein Pferd übertragen. Ich habe nie Schwierigkeiten am Totenmann-Pfosten .«
Es war eine ruhige und selbst an einem Novembertag hübsche Straße, die nach Petering Friars führte. Wimsey fühlte sich beruhigt und glücklich, als er so im Wintersonnenschein durch die Essex-Landschaft trabte. Ein strammer Galopp über das Gemeindeland fachte seine Lebensgeister besonders an. Den Totenmann-Pfosten und seinen unheimlichen Ruf hatte er darüber ganz vergessen, bis eine plötzliche, heftige Bewegung des Pferdes, die ihn beinahe aus dem Sattel geworfen hätte, ihn wieder in die Gegenwart zurückriß. Mit einiger Mühe beruhigte er Polly Flinders und brachte sie zum Stehen.
Er befand sich am höchsten Punkt des Gemeindelandes auf einem Reitweg, der auf beiden Seiten mit Ginster und totem Farnkraut bewachsen war. Etwas weiter vorn schien ein anderer Reitweg in diesen einzumünden, und an der Kreuzung stand etwas, das er für einen verfallenen Wegweiser gehalten hatte. Es war allerdings ein wenig zu kurz und zu dick für einen Wegweiser und besaß auch keine Arme. Auf der ihm zugewandten Seite entdeckte er jedoch eine Inschrift.
Er redete der Stute gut zu und drängte sie sanft nach dem Pfosten hin. Sie machte auch ein paar zaudernde Schritte, sprang dann aber schnaubend und zitternd zur Seite.
»Merkwürdig!« murmelte Wimsey. »Wenn dies mein Geisteszustand ist, der sich auf das Pferd überträgt, dann konsultiere ich am besten einen Arzt. Meine Nerven müssen j a ganz kaputt sein. Nur zu, altes Mädchen! Was ist denn mit dir los?«
Polly Flinders weigerte
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