Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Hauptsache, bei mir ist er raus.« Ich kann ihr zufriedenes Grinsen durch die Leitung hören.
»Aber eingebrochen wurde auch bei Ihnen? Wir sind hier nämlich nicht bei der Partnervermittlung, wissen Sie?« Meine Stimme klingt streng durch die Telefonleitung.
»Nein, nein, hier ist wirklich wer eingebrochen. Aber es gibt Chancen, die muss man ja nutzen! Ihre Telefonnummer dürfen Sie mir vermutlich nicht geben, junge Frau, oder? Also falls er doch auf Frauen steht, mein Sohn, mein ich jetzt.«
»Nein, tut mir leid, das ist gegen die Vorschriften. Aber viel Erfolg!«, wünsche ich ihr, als sie auflegt, und schmunzele vor mich hin.
Nach dem Einsatz erkundige ich mich bei den Kollegen, ob ihre Verkupplungsversuche erfolgreich waren, und erhalte zur Antwort, dass der Sohnemann augenscheinlich doch eher auf Frauen steht. Die beiden Herren wurden allerdings aufgefordert, unter den Kolleginnen zu verbreiten, dass er auf Brautschau sei und dass vor allem die freundliche Dame vom Notruf sich doch mal melden solle.
Generell ist es so, dass die Notrufe von der jeweiligen Leitstelle des Präsidiums bearbeitet werden. Dort sitzen mehrere speziell geschulte Beamte und nehmen die Anrufe entgegen. Sie treffen die notwendigen Maßnahmen und verteilen die Einsätze an die Streifenwagen, bestellen Abschleppdienste, Rettungswagen und die Feuerwehr oder auch mal einen Schlüsseldienst, wenn die Kollegen auf der Straße das verlangen.
Viele Menschen haben jedoch aus irgendeinem Grund die direkte Telefonnummer ihrer Polizeiwache und benutzen diese dann in Situationen, in denen ein Notruf wirklich angemessener wäre. Auf der Polizeiwache kann es schon mal vorkommen, dass das Telefon länger klingelt, bis jemand drangeht, weil alle beschäftigt sind. Häufig ist einfach auch die Leitung belegt. Auch die Möglichkeiten, auf einen Notruf zu reagieren, sind in der Leitstelle viel besser als auf einer Wache. Dort hat man sofort mehrere Kollegen zur Verfügung, die sich um die Bearbeitung eines anspruchsvollen Einsatzes kümmern können, während der Funker auf der Polizeiwache meist alleine ist und erst einmal einen Kollegen zu Hilfe rufen muss. Sonst könnte ein Notruf ähnlich ablaufen wie der, der mich eines Tages erreichte, als ich Funkdienst auf der Wache hatte:
»Polizeiwache …« Ich komme gar nicht dazu, meinen Standard-Begrüßungssatz fertig zu sprechen.
»Ist da die Polizei?«, kommt eine Männerstimme vom anderen Ende.
»Ja, hier ist die Polizei. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ah gut! Also, mir ist da ein Ding passiert!«
»Was genau ist Ihnen denn passiert?«
»Also, ich steh hier so und mach meinen Job …«
»Ja?«
»Also wie gesagt, ich steh hier so und denk an nix Böses. War ja auch ein guter Tag bisher und so. Auf jeden Fall kommen da zwei Männer rein. Ich denk noch, die sehen aber komisch aus. Na ja, jetzt sind sie ja wieder weg, aber die sahen halt wirklich komisch aus.«
»Wo sind Sie denn jetzt genau, und mit wem spreche ich überhaupt?«, versuche ich das Gespräch auf die wichtigen Dinge zu lenken, bevor er fortfahren kann.
»Ja, hier in der Spielothek, und mein Name ist Melchert, Micha Melchert!«
»Okay, Herr Melchert. Welche Spielothek?«
»Na hier in Köln die, gegenüber vom Aldi!«
Ich seufze innerlich. In Köln gibt es bestimmt zwanzig Spielotheken, die irgendwie gegenüber von einem Aldi liegen.
»Haben Sie eine Adresse für mich?«
Er nennt mir die Anschrift und spricht dann in genauso ruhigem Ton weiter: »Ja, also wie gesagt, die sahen so ein wenig komisch aus. Na ja, und dann ist mir halt dieses Ding passiert!«
»Welches Ding?« Allmählich klingt meine Stimme genervt, ich kann nichts dagegen machen.
»Na also, die kamen rein, dann sind sie wieder raus. Na ja, und jetzt ist die Kasse weg!«
Mein Puls beschleunigt sich. »Sie wurden bestohlen?«
»Ja, sag ich doch. Die Kasse ist weg, und das Messer haben die auch hiergelassen.«
»Welches Messer?« Bei mir schrillen alle Alarmglocken.
»Also wie gesagt, die kamen rein, und der eine hat mir halt das Messer so an den Hals gehalten, und dann sollte ich die Kasse aufmachen. Na ja, und jetzt sind sie halt weg. Dabei war das heut so ein schöner Tag.«
Ich winke hektisch meinen Kollegen aus dem Wachraum herbei. »Ein Raub in einer Spielhalle! Schick mal schnell ein paar Autos raus!«, zische ich ihm zu, da ich nicht gleichzeitig funken kann, während der Anrufer sich am Telefon weiter darüber auslässt, dass der Tag heute doch so
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