Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Hörer.
»Was ist?«, frage ich nun auch leicht genervt.
»Jetzt ist Fritzchen stehen geblieben!«
»Ähm, wer ist Fritzchen?«
»Na, mein Auto!«
»Okay. Wo stehen Sie jetzt genau?«
»Das hab ich Ihnen doch schon gesagt – auf der Autobahn! Und nicht ich stehe, sondern Fritzchen.«
»Rechts oder links?«, frage ich entnervt und bekomme zur Antwort: »Ähm, irgendwie ziemlich in der Mitte. Soll ich mal aussteigen?«
» NEIN !!«, brüllen wir im Chor in den Hörer. »Wir schicken Ihnen einen Streifenwagen, bleiben Sie genau, wo Sie sind! Warnblinkanlage an und auf keinen Fall aussteigen!!«
Ich warte ihre Antwort nicht ab und lege auf.
Fünf Minuten später hat ein Streifenwagen sie gefunden. Tatsächlich stand die Gute mit ihrem Fritzchen und einem leeren Tank mitten auf der Autobahn, selbstredend ohne Warnblinkanlage und gerade mal dreihundert Meter hinter dem für sie rettenden Rastplatz mit Tankstelle.
»Polizeinotr…«, beginne ich freundlich und werde barsch von einem Mann unterbrochen, der mit unterdrückter Nummer anruft.
» HALT DIE FRESSE, DU FOTZE ! SCHICK MIR STREIFENWAGEN, ABER SCHNELL !«
Bevor ich fragen kann, wohin der Streifenwagen soll, wird das Gespräch unterbrochen.
Zwei Minuten später melde ich mich erneut: »Polizeinot…«
» ICH HAB GESAGT, DU SOLLST FRESSE HALTEN ! WO BLEIBT STREIFENWAGEN ?« Die Stimme ist so laut, dass mir fast das Trommelfell platzt.
»Wo sind Sie denn, und worum geht es überhaupt?« Ich habe bereits gelernt, Beleidigungen und Unflätigkeiten einfach auszublenden.
»Sag ich disch doch nicht!« Immerhin brüllt er diesmal nicht ganz so laut.
»Okay. Aber wenn Sie mir nicht sagen, wo Sie sind, kann ich Ihnen keinen Streifenwagen schicken.«
»Ey, Pussy, laber nich rum, ich hab keine Zeit. Streifenwagen oder aufs MAUL !«
Leicht grinsend versuche ich erneut, ihm zu erklären, dass der Streifenwagen ja ein Ziel braucht, zu dem er fahren soll. Da brüllt er ins Telefon: » VERDAMMTE SCHEISSE ! BIST DU DOOF ? KENNSU MICH ETWA NICHT ? ICH BIN ’S, DER ANTONIO ! Ihr verfickten Bullen hört mich mein Telefon doch eh ab. Ihr wisst doch, wo ich bin. ALSO STREIFENWAGEN ODER AUFS MAUL , JETZT MACH GAS !« Wieder legt er auf, während ich ziemlich verdattert mein Mikrofon anstarre.
»Was genau mach ich denn jetzt?«, frage ich den Kollegen links von mir.
»Nix!«, sagt der grinsend. »Den Typen kennen wir schon. Der ruft immer mal wieder an, vermutlich weil er grad nichts zu tun hat. Gefunden haben wir ihn noch nie. Keine Ahnung, was der genau will.«
Meine Leitung klingelt erneut: »Polizeinotru…«
» BITCH ! WO BLEIBT STREIFENWAGEN ! WART ICH SCHON STUNDENLANG ! Könnt ich schon lange tot sein, und schuld bis du, Bitch! Bullenbitch!« Zack, hat er schon wieder aufgelegt.
»Wie lange wird das jetzt noch so gehen?« Etwas ratlos schaue ich die Kollegen an.
»Das sollte der letzte Anruf gewesen sein.«
Und tatsächlich, er hat recht: Der Typ meldet sich nicht noch einmal. Trotzdem würde ich zu gerne wissen, was er denn nun eigentlich gewollt hat.
»Polizeinotruf, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich werde hier festgehalten! GEGEN MEINEN WILLEN !« Die Männerstimme flüstert leicht panisch, und sofort schießt mir das Adrenalin in die Adern.
»Wissen Sie, wo Sie sind?«
»Nein, hier ist es dunkel!«
»Okay, wie heißen Sie?«
»Schröder, Stefan!«
»Gut, Herr Schröder. Wie sind Sie dort hingekommen, wo Sie jetzt sind?«
»Die haben mich geschlagen und gefesselt und dann ans Bett gebunden.« Im Hintergrund höre ich hektische Stimmen.
»Die kommen, die kommen, die wollen mich holen! Helfen Sie mir, bitte helfen Sie mir!«
Meine Hände werden feucht, und ich stoße den Kollegen neben mir an, der sich sofort in die Leitung hängt und mithört.
»Die sind fast da …«
»Herr Schröder, können Sie mir beschreiben, wo Sie sind? Was sehen Sie?« Ich versuche ruhig zu bleiben, aber meine Stimme wird trotzdem hektisch.
Mein Kollege tippt mir auf den Arm, aber ich bin zu konzentriert auf das Gespräch, um zu reagieren. In Gedanken gehe ich die Möglichkeiten durch, wie ich herausfinde, wo Herr Schröder ist, als er plötzlich in den Hörer schreit: »Nein … NEIN !«
Er kreischt, dann herrscht Stille. Ich höre ein Krachen, Schritte, offenbar ist ihm der Hörer aus der Hand gefallen oder geschlagen worden. Das Gespräch wird unterbrochen.
»Scheiße!«, entfährt es mir. Erst jetzt bemerke ich, dass mein Kollege sich auf seinem Stuhl windet
Weitere Kostenlose Bücher