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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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brauchen noch Ihren Ausweis, damit wir über die Grenze kommen!«, flüstere ich und lasse mich auf das Spiel ein. Erst sieht er mich fragend an, dann rennt er geduckt unter den Fenstern entlang in die Küche, während er murmelt: »Schnell, schnell, die Mädchen helfen bei der Flucht. Die Afghanen kommen, aber die netten Mädchen helfen bei der Flucht. Ach, was bin ich froh …«
    Während ich überlege, was ich mache, wenn er jetzt ein Messer zieht und auf uns losgeht, wühlt er wie wahnsinnig in seinem Küchenschrank. Dann steht er glückstrahlend mit einer grünen Tupperdose vor mir. »Da, mein Ausweis!«
    Ratlos sehe ich die Dose an. »Das ist kein Ausweis!«
    Das glückliche Strahlen verschwindet, er stürzt erneut in die Küche und steht kurz darauf mit einer Topfpflanze vor mir. »Hier, mein Ausweis! Schnell, schnell, die Afghanen!«
    Er tritt unruhig von einem Fuß auf den anderen, während ich die Topfpflanze achselzuckend auf dem Boden abstelle. Na gut, muss es halt ohne Ausweis gehen.
    Ruth führt Herrn Albayrak die Treppenstufen hinunter, während ich das Fenster schließe, die Wohnungstür ins Schloss ziehe und den Schlüssel einstecke.
    »Wir müssen ganz leise sein, sonst hören uns die Afghanen!«, flüstert er Ruth zu.
    Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, denn wir geben wahrscheinlich ein höchst sonderbares Bild ab: Ein riesiger Mensch schleicht gebückt durch den Hausflur, an der Hand einer kleinen rothaarigen Polizistin, gefolgt von einer noch kleineren blonden.
    Herrn Albayraks Nachbar schaut durch den Spalt seiner Wohnungstür und folgt uns mit Blicken. Er war es, der uns angerufen hat – wegen des Lärms und aus Angst, dass Herr Albayrak sich verletzen könnte. Ich will lieber nicht wissen, was er jetzt über uns denkt.
    Auf dem Weg zum Streifenwagen suchen wir mit Herrn Albayrak mehrmals Deckung hinter einem Busch oder einem Auto. Dann sitzt er endlich auf der Rückbank, und ich steuere wieder mal das Alexianer-Krankenhaus an.
    Als wir aussteigen, seufzt er: »Mädchen haben mich zur schützenden Burg gebracht. Allah sei Dank!«
    Er lächelt uns dankbar an, während wir ihn zu der Station führen, die man uns am Empfang nennt. Herr Albayrak ist hier im Alex bereits bekannt, allerdings wird er sonst, wenn er aufgrund seiner Kriegstraumata psychotisch wird, immer gut verschnürt durch die Kollegen oder den Rettungsdienst hergebracht.
    Interessiert wollen die Pfleger und der Stationsarzt wissen, wie wir ihn zum Mitfahren überredet haben, und ein wenig verschämt schildere ich unsere Flucht vor den Afghanen.
    Lachend klopft der Arzt Ruth und mir auf die Schultern: »Ganz schön kreativ! Ist zwar nicht gut für den Behandlungserfolg, denn jetzt wird er uns tagelang erzählen, dass ihr zwei die Afghanen auch seht. Aber gut, Hauptsache, der arme Kerl wurde nicht schon wieder gefesselt. Eigentlich ist er nämlich ganz umgänglich, da haben wir hier ganz andere mit dem gleichen Krankheitsbild. Denen wollt ihr nicht alleine gegenüberstehen!«
    Als wir gehen, reißt Herr Albayrak sich von den beiden Pflegern los und rollt wie eine Fleischwoge auf uns zu. Ich überlege kurz, wie ich reagieren soll, und bleibe schließlich genau wie Ruth einfach stehen und warte ab.
    Als er uns erreicht hat, stoppt er, dann presst er erst mich und dann Ruth kurz an sich. Ich schiebe unauffällig meinen Arm über die Waffe und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass er mich nicht erdrückt. Wir wirken beide wie Kleinkinder in seinen riesigen Armen, und ich falle ein paar Zentimeter tief, als er mich endlich loslässt.
    Dann winkt er: »Tschüs, Mädchen, bis zum nächsten Mal!«
    Während wir die eindrucksvolle Haupttreppe des Krankenhauses hinuntergehen, hoffe ich insgeheim, dass es kein nächstes Mal geben wird und dass Herr Albayrak einen Weg findet, mit seinen traumatischen Erinnerungen und Erlebnissen umzugehen, ohne andere Menschen oder sich selbst zu gefährden.
    Einsätze mit psychotischen und neurotischen Personen können durchaus gefährlich sein. Vor allem aber können sie verstörend sein. Doch manchmal sind sie auch einfach eine traurige Mischung aus Aggressivität, Morbidität und Slapstick, wie die Geschichte von Rolf. Rolf hasst andere Menschen, aber mich mag er zum Glück.
    »Rolf, komm, ist gut. Der Kollege will nur auf mich aufpassen. Musst du doch verstehen, ich bin ja ziemlich klein, da will der nicht, dass mir was passiert!«
    Rolf, nackt bis auf einen um seine Hüften geknoteten grünlich

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