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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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braunen Pullover und von oben bis unten mit Kot beschmiert, nickt mir wissend zu und lässt sich von mir weiter durch den Flur des Alex ziehen. Dabei tätschelt er meine Hand. »Janine, du bist echt in Ordnung.«
    Ich nicke und schleife ihn etwas unsanft weiter Richtung Aufnahme. Plötzlich reißt er sich los, und während ich noch genervt die Augen verdrehe, deutet er mit wirrem Blick auf meinen Kollegen Flo. » ABER DER DA , DAS IST EINE SACKSAU ! DER FASST MICH NIE WIEDER AN ! SACKSAU !«
    Flo, passend zu seinem Namen zwei Meter groß und mit Oberarmen, die sein Diensthemd zu sprengen drohen, lächelt freundlich. »Alles klar, Rolf«, brummt er. »Ich geh nur hinterher.«
    » SACKSAU !« Im nächsten Moment hat Rolf sich wieder bei mir eingehakt, und wir gehen weiter.
    Leise raunt Flo mir von hinten zu: »Alles klar, Rolf gibt mir Tiernamen, für heute bin ich dann die Sacksau!«
    Doch Rolf hat gute Ohren, fährt wieder herum, und während die beiden Sanitäter vor uns leise kichern, sagt er: » TIERNAMEN ? ALLES KLAR ! RHINOZEROS ! So siehste nämlich aus, du Kraftprotz. Aber mit Kraft is bei mir nix zu machen. Bei mir braucht man Köpfchen. So wie die Janine.« Zufrieden wendet er sich wieder mir zu, wiederholt unablässig: » RHINOZEROS !« und schaut mich dabei Beifall heischend an.
    Ich unterdrücke wegen des starken Geruchs nach Kot, der immer noch an Rolf haftet, den Würgereiz und ziehe ihn weiter. »Komm weiter, Rolf. Ich hab gleich Pause und muss was essen, du willst doch nicht, dass ich hungern muss, nur weil du hier solche Sperenzchen machst?«
    Entsetzt schlägt er sich die Hand vor den Mund und legt einen Zahn zu. »Nein, nein, die Janine ist so dünn, die darf keinen Hunger haben. Aber das fette Rhinozeros, das soll ruhig mal einen Diättag machen!«
    Flo schnaubt unwillig, sagt aber nichts. Brav läuft Rolf neben mir her, durch die schwere Eisentüre in die Station.
    »Hier bleib ich nicht!«, raunt er mir verschwörerisch zu. »Hier sind nur Bekloppte!«
    Ich merke, wie sich sein Körper anspannt, und rechne damit, dass er sich wieder von mir losreißt. »Rolf, mir zuliebe. Nur ein paar Tage, bis du wieder fit bist!« Dazu klimpere ich ein wenig mit den Wimpern und fühle mich schäbig.
    Er denkt kurz nach, dann geht er schweigend weiter mit mir zu einem Krankenbett. Wir werden begleitet von der Stationsärztin, mehreren Pflegern und meinem Koloss von Kollegen. Die beiden Sanitäter halten sich grinsend im Hintergrund, und ich lasse so viel Nähe zu Rolf auch nur zu, weil ich genau weiß, dass Flo ihn innerhalb von wenigen Sekunden zu einem handlichen Paket verschnüren würde, wenn Rolf sich danebenbenimmt. Und das möchte ich beiden gerne ersparen.
    Wieder streichelt Rolf nervös meine Hand und betrachtet skeptisch das Bett mit den Gurten.
    »Komm, Rolf, leg dich da hin.«
    » ICH WILL ABER NICHT !«, kreischt er, und sein Blick driftet ab in irgendeine Ferne.
    »Rolf, sieh mich an! Komm, leg dich hin. Tu es für mich. Wenn wir das hier mit Gewalt machen, dann verletz ich mich vielleicht, das willst du doch nicht?«
    Langsam kehrt sein Blick wieder zu uns zurück. »Nein, das will ich nicht. Die Janine ist in Ordnung, auf die muss ich aufpassen.«
    Er legt sich auf das Bett und lässt sich von den Sanitätern festschnallen. Ich winke noch einmal, dann bin ich durch die Tür und fühle mich richtig gemein. Andererseits freue ich mich, dass es uns gelungen ist, ihn hier abzuliefern, ohne dass wir Gewalt anwenden mussten. Danach sah es keineswegs aus, als wir ihn fanden.
    Der kleine, dicke Mann hatte splitternackt, von oben bis unten mit Kot beschmiert, vor seinem Haus gestanden, Gott und Satan um Hilfe angefleht und immer wieder geschrien, dass er den schwarzen Mann getötet hätte. Als wir uns näherten, rastete er komplett aus, doch Flo brachte ihn mit zwei wohl recht schmerzhaften Armhebeln dazu, sich, so nackt und dreckig, wie er war, auf die Treppe zu setzen und dort brav zu warten, bis der Rettungswagen kam. Währenddessen flitzte ich durch das schmutzige Treppenhaus und suchte seine Wohnung, um sicherzugehen, dass dort nicht tatsächlich ein toter »schwarzer Mann« herumlag.
    Die Wohnung war das reinste Chaos. Zerschlagene Glasflaschen überall und kleine Krabbeltiere, die im Schein meiner Taschenlampe über den Boden huschten. Keine einzige funktionierende Lampe, mitten auf dem Sofatisch ein riesiger Haufen Scheiße, aber nirgendwo eine Leiche.
    Ich zog die Tür zu, schloss ab und rannte

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