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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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Handbewegung.
    »Was ist denn überhaupt passiert?«
    Er zuckt mit den Achseln und guckt Hilfe suchend zu den Menschen hinüber, die sich vor dem Zaun des Vorgartens versammelt haben, aber niemand scheint ihm helfen zu wollen.
    »Na ja, also ich bin von der Arbeit gekommen und wollte nur schnell noch da am Kiosk einen Sixpack Bier mitnehmen. Da war die Kleine. Sie saß im Kiosk am Boden und weinte. Der Kioskbesitzer bat mich, sie doch bitte vor die Tür zu bringen. Er sagte, er kennt sie nicht und er weiß auch nicht, was sie hier will. Also hab ich sie angesprochen. Da ist sie plötzlich aufgesprungen und hat mir das ganze Gesicht zerkratzt.«
    Ich blicke von meinem Notizblock hoch und nehme die unzähligen feinen roten Linien auf seinen Wangen wahr.
    »Na ja, da hab ich gebrüllt: SPINNST DU ! Und sie ist komplett ausgeklinkt. Hat gegen die Scheibe des Kiosks getreten und wollte sich hier vom Gartenzaun eine Latte abreißen und schrie, dass sie uns alle umbringt. Also hab ich sie umgehauen und mich auf sie draufgelegt, damit sie hierbleibt, bis wer kommt und hilft. Das waren dann Sie.«
    » FICKEN WOLLTE DER MICH !«, kreischt das junge Mädchen hinter uns los. » ALLE WOLLEN SIE MICH IMMER NUR FICKEN ! ABER ICH LASSE MIR NICHTS MEHR GEFALLEN ! Auf die Fresse geb ich euch!«
    Endlich trifft der Rettungswagen ein. Ich schaue mir das Mädchen an und überlege kurz, ob sie nicht besser in unseren Gewahrsamszellen aufgehoben wäre, bis sie sich abgeregt hat. Aber ihr Mund ist ganz blutig, und auf der Stirn hat sie so große Beulen, dass wir wohl niemals eine Gewahrsamsfähigkeit vom Arzt bescheinigt bekämen.
    » ZUGLEICH !«, ertönt das Kommando der Kollegen, und sie heben das verschnürte Mädchen auf die Trage des Krankenwagens. Im selben Augenblick bemerke ich etwas, das die Kollegen aus ihrer Position nicht sehen können: Das Mädchen zieht seine Hand aus der offenbar zu lockeren Handfessel und greift, während sie auf die Trage gehoben wird, grinsend nach der Waffe in Peters Holster.
    » PETER , VORSICHT , WAFFE !«, schreie ich, so laut ich kann, und stürze nach vorne. Peter reagiert, Gott sei Dank, genauso schnell und knallt ihr mit voller Wucht sein Funkgerät gegen die Hand. Die Waffe fällt zu Boden, und er bückt sich, um sie aufzuheben.
    Der Blick des Mädchen fällt auf mich, und sie kreischt: » FOTZE !«
    Dann haben auch die übrigen Kollegen die Situation erfasst. Sofort packen alle wieder zu und binden ihr den Arm erneut fest, während sie weiter schimpft und schreit. Endlich schieben die Sanitäter das kreischende Bündel in den Rettungswagen.
    »Das war knapp!« Peter atmet hörbar aus und steckt seine Waffe ins Holster zurück.
    Ich nicke nur stumm und betrachte sein von dem Schlag ziemlich lädiertes Funkgerät.
    Eine halbe Stunde später sind wir im Krankenhaus, das Mädchen soll geröntgt werden. Der Arzt vermutet ein Gerinnsel im Kopf oder einen Schädelbruch und braucht eine Computertomografie. Allerdings ist das Mädchen so aggressiv wie zuvor, auch ihren Namen haben wir noch immer nicht aus ihr herausbekommen. Also bleibt sie weiterhin verschnürt und wird wie ein Päckchen auf die Liegefläche des CT gelegt. Zwei Kollegen halten ihren Körper in Position, und ich fixiere den Kopf mit meinen Händen. Entsprechend ulkig sehen hinterher die CT -Aufnahmen des Kopfes aus, da meine Hände mit auf den Bildern sind. Auch wir Polizisten sind bei solchen Untersuchungen den Röntgenstrahlen ausgesetzt, weshalb ich vorher rasch unterschreiben musste, dass ich zurzeit nicht schwanger bin.
    Als alle schwerwiegenden Verletzungen ausgeschlossen sind, geht es für die junge Dame per Rettungswagen und unter polizeilicher Aufsicht ins Alex, zur Zwangseinweisung. Eine solche Einweisung kann nur durch einen Arzt erfolgen, der am Verhalten der Person eine Gefahr für die Person selbst oder andere sieht. Nach dem Gerangel und den wiederholten wahnhaften Äußerungen des jungen Mädchens ist das bei ihr nicht auszuschließen, und so stellt der Krankenhausarzt uns gleich die notwendigen Formulare aus.
    Im Alex kennt man sie tatsächlich und kann ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Eigentlich ist sie wegen Psychosen und wahnhaften Zuständen in einer Tagesklinik in Behandlung. Sie wurde medikamentös eingestellt und kann fast normal leben. Anscheinend hat sie heute ihre Pillchen nicht genommen und ist in einen Zustand verfallen, in dem sie, einfach ausgedrückt, die Realität vollkommen verschoben wahrnimmt.
    Wir

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