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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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zu Flo zurück.
    Rolf, der uns von zahlreichen früheren Einsätzen bereits bekannt war, saß immer noch auf der Treppe und stierte böse vor sich hin, während er Flo wüst beschimpfte. Der Rettungswagen ließ auf sich warten, und so versuchte ich, irgendwie zu Rolf durchzudringen, doch der schien mich gar nicht wahrzunehmen.
    »He, die Beamtin spricht mit dir!«, rüffelte Flo ihn schließlich.
    Langsam wandte Rolf mir den Kopf zu. »Vor Frauen hab ich ja großen Respekt!«, war der erste vernünftige Satz, den er hervorbrachte, und ich schenkte ihm dafür ein strahlendes Lächeln. Als er nach meiner Hand griff, platzierte Flo sich so hinter ihm, dass er ihn bei einer dummen Bewegung jederzeit packen und von mir wegzerren konnte. Doch nichts passierte.
    Rolf streichelte meine Hand und himmelte mich an, nur ab und an schimpfte er in die Richtung meines Kollegen, dass es mir fast schon peinlich wurde. So entschieden wir uns dann auch, dass nicht Flo, sondern ich Rolf im Rettungswagen begleiten würde.
    Brav stieg er mit mir ein und setzte sich auf den Sitz mir gegenüber. Doch dann weigerte er sich, den Gurt anzulegen. Mit Gewalt hatten der Sanitäter und ich ihn angeschnallt, doch Rolf drückte immer wieder auf das Gurtschloss, bis ich eine Idee hatte: »Rolf, komm, das ist gefährlich. Ist ja nicht schlimm, wenn dir das egal ist. Aber ich hab Angst beim Fahren. Ich muss angeschnallt sein. Wenn du dich immer losschnallst, muss ich aufstehen, und da kann mir viel passieren.«
    Ich hatte noch nicht ausgesprochen, als Rolf sich wieder anschnallte und sagte: »Nä, dir soll nichts passieren. Auf kleine Frauen muss man aufpassen.«
    Der Sanitäter lachte leise, und prompt flog Rolfs Kopf zu ihm herum. Er bäumte sich unter dem Gurt auf seinem Sitz auf und wollte sich über die in der Mitte des Rettungswagens stehende leere Krankenliege auf den Sanitäter stürzen. » HAB ICH MIT DIR GEREDET ? DU SACKSAU ? HALT’S MAUL ! ICH BRING DICH UM !«
    Meine Rechte ballte sich zur Faust, sofort zum Schlag bereit, wenn er sich nicht beruhigen sollte, die andere legte ich ihm sanft auf die Schulter. »Rolf, ich hab wirklich Angst, wenn du so wütend wirst! Du willst doch nicht, dass ich Angst habe!«
    Er schnaubte noch zweimal, dann saß er wieder ruhig auf seinem Platz. »Wie heißt du?«, wollte er wissen.
    Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nannte ich ihm meinen Vornamen, und er nickte. »Janine, du sollst keine Angst haben!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und zeigte mir beim Grinsen seine schwarzen Zähne.
    Ab da verlief die Fahrt ruhig und friedlich, und während ich ihn anlächelte, dass ich fast Muskelkater in den Wangen bekam, tätschelte er mir sachte die Hand. »Ich pass auf dich auf. Besser als die brutale Sacksau«, nuschelte er.
    »Du, das ist mein Kollege, den mag ich wirklich gerne. Ich find das nicht schön, wenn du den Sacksau nennst!«, machte ich einen weiteren Vorstoß.
    »Ist aber eine Sacksau. Hat mir wehgetan!« Rolf rieb sich den Arm, und ich nickte: »Ja, weil er auf mich aufpassen muss. Er hatte Angst, du tust mir was!«
    »Ich tu dir nichts. Ich hab nur den schwarzen Mann getötet, und dann hab ich auf den Wohnzimmertisch geschissen! Gott wird mich zu sich holen für diese Tat. Meinst du nicht?«
    Ich nickte und lächelte und fragte mich, was im Leben eines Menschen schieflaufen muss, damit er solche Dinge denkt und tut.
    Rolf kam noch ein paarmal auf die Wache und fragte nach Janine und dem Rhinozeros, aber nackt und mit Scheiße beschmiert haben wir ihn zum Glück seitdem nicht noch mal einsammeln müssen.

Mach dich nackig
2001–2011
     
    In meinem Beruf kommt es immer wieder vor, dass ich Menschen körperlich nahe komme, häufig näher, als mir lieb ist. Oft müssen Personen durchsucht oder zumindest grob abgetastet werden. Das ist für die Betroffenen unangenehm, für mich aber nicht minder. Wo ich schon überall hineingegriffen habe und was manche Leute in ihren Taschen so spazieren führen – allein damit könnte man Bücher füllen. Angelutschte Bonbons, gebrauchte Kondome, berotzte Taschentücher, Nadeln, Spritzen, Messerchen. Und leider sieht man den meisten Menschen nicht an, was für einen Saustall sie bei sich tragen.
    Generell gibt es verschiedene Formen der Durchsuchung, vom Abtasten nach gefährlichen Gegenständen oder der Suche nach Ausweispapieren bis hin zum kompletten Entkleiden in einer Zelle und dem Vorbeugen, damit man auch wirklich in jede Körperöffnung

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