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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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will nicht nur ein Lückenbüßer sein, Rosie«, sagt er. »Dafür liegt mir zu viel an dir.«
    »Wovon redest du?«, frage ich, doch ich weiß genau, wovon er redet. Er redet davon, dass er sich von Rosie Plow nicht geliebt fühlt. Tue ich ihm dasselbe an, was Teddy mir angetan hat?
    Ich strecke ihm die Arme entgegen. Er setzt sich auf die Bettkante und erlaubt mir, ihn zu umarmen.
    Sein Atem streift meinen Nacken, dann macht er sich vorsichtig los von mir.
    »Gehst du?«
    Mickey nickt. »Ruf mich an, wenn du dort bist.«
    Laut dem Routenplaner dauert es fünf Stunden und zwölf Minuten. Zweihundertneunundsiebzig Meilen liegen zwischen Ronkonkoma und meinem Vater. Es ist 9 Uhr 45 morgens, und Cape Cod sieht im beginnenden Winter aus wie das Set für einen Weltuntergangsfilm; alles ist windzerzaust und verlassen, als erwarte man die Ankunft einer Flutwelle oder auch Godzilla. Die zarten Windmühlenflügel eines Minigolfplatzes drehen sich auf einer verlotterten Touri-Anlage in Buzzards Bay. Ich komme an Quik Marts vorbei, an GoCart-Bahnen, Hummer-Verkaufsständen und verlassenen Parkplätzen, und ich entdecke wenig von der Romantik, die ich vom Feriendomizil der Kennedy-Familie erwartet hätte. Das könnte am Tag liegen, der winterlich, trüb und schneefrei ist. Das könnte auch an der Tatsache liegen, dass ich seit fünf Uhr früh unterwegs bin, nachdem ich hastig ein paar Klamotten in meine Sporttasche geworfen habe (genau wie Teddy, als er ging. Wie viel leichter fällt es mir jetzt, mich ohne Schmerz daran zu erinnern!). Dann habe ich Ronkonkoma mitten in der Nacht verlassen.
    Als Mickey gegangen war, gab es keine Hoffnung mehr auf Schlaf. Jetzt hast du den einzigen Mann weggeschickt, der dich jemals geliebt hat!, hat eine Stimme in meinem Kopf geschrien, lauter als Helen, lauter noch als ein Prediger der Pfingstgemeinde. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Hast, um fünf Uhr früh aufzubrechen, ausschließlich mit der Suche nach Johnny Bellusa zu tun hatte. Ich sehnte mich danach, meinem leeren Schlafzimmer zu entfliehen.
    Aber egal. Wenn ich meinen Vater gleich finde, kann ich fünf Tage mit ihm verbringen. Ich kann früh genug nach Long Island zurückfahren, um meinen anderen Vater zu seinem Termin beim Onkologen zu begleiten. Ich kann für Pulkowski da sein, so, wie auch er immer für mich da war. Und vielleicht kann ich sogar die Sache mit Mickey zum Guten wenden.
    Ich werfe einen Blick auf das verknitterte Stück Papier auf dem Beifahrersitz, auf das Marcie ihre Notizen gekritzelt hat. John Leonard Bellusa ist 1954 im Holy Innocents Hospital in Kings Park im Bundesstaat New York zur Welt gekommen. Mutter: Rose Annunziata. Vater: Anthony Bellusa. Meine Großeltern väterlicherseits. Bin ich nach meiner Großmutter väterlicherseits benannt worden? Waren die Bellusas und Teddys Eltern womöglich paesanos, Landsleute?
    Es war zu spät, das herauszufinden. Für vieles war es nun zu spät.
    Ich halte vor einem Dunkin’ Donuts, um einen dritten Kaffee zu trinken. Ich weiß, dass ich absichtlich herumtrödele. Die Wahrheit ist, dass ich ein bisschen Angst habe. Als zwischen meinem Auto und Woods Hole nur noch weniger als einhundert Meilen liegen, beginne ich, mich zu fragen, wie dieses Wiedersehen wohl ablaufen wird. Bin ich darauf vorbereitet, diesen Vater zu treffen, den ich noch nie gesehen habe? War es nicht das, was Mickey versucht hat, mich zu fragen? Ich lasse mich an einem Tisch am Fenster nieder, schlürfe meinen Kaffee und beobachte die vorbeifahrenden Autos.
    Whisper of how I’m yearning!
To mingle with the old time throng!
    Wie ich mich danach sehne! Wie ich mir wünsche, wieder zu der alten Bande zu gehören! Eleanor hatte diese Zeilen mit solch einer Inbrunst gesungen. Ich rapple mich hoch und gehe zur Tür. Eine verschlafene Serviererin lächelt mich an.
    »Bis bald«, sagt sie.
    Der Karte zufolge, die mein Computer heute Morgen um 4 Uhr 30 ausgedruckt hat, geht es von hier aus immer geradeaus nach Woods Hole. Dann muss ich nur noch die Adresse finden. Die Suchmaschine, die Marcie benutzt hat, hat einen Staat und eine Stadt ausgespuckt, aber nicht den Namen der Straße, in der John Bellusa wohnt. Ich werde mich wohl einfach durchfragen müssen, wenn ich dort bin. Wie ist er überhaupt in Woods Hole gelandet? Alles Fragen, die ich hätte aufschreiben sollen. Ich pflüge mich durch dieses Wiedersehen, wie ich mein ganzes Leben durch alles mögliche gepflügt bin.
    Charmante, mit Fensterläden

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