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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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versehene Cape-Häuser und mit weißen Schindeln verkleidete Kirchen gleiten links und rechts vorbei. FALMOUTH steht auf einem grünen Schild. Malerische Souvenirshops tauchen plötzlich gehäuft auf. Einige von ihnen sind während des Winters geschlossen, andere verkaufen Süßigkeiten, Fingerhüte und Fahnen, welche die Leute sich über die Eingangstür hängen und durch die sie mit Häschen, Schneeflocken oder Labrador Retrievern auf die nächsten Ferien hinweisen. Der Beschilderung zufolge ist der nächste Ort Woods Hole. Ich komme an einem Meeresforschungsinstitut vorbei, das diesen Namen trägt.
    Bald macht die Straße eine Biegung nach links, und die baumreichen Wohnviertel geben die Aussicht auf das Meer frei. Ich blicke über die Bucht und sehe in der Ferne eine gewaltige Fähre und an der Küste daneben einen riesigen Parkplatz mit glitzernden Autos. Die Straße biegt nach rechts ab, und ich komme an einigen Restaurants, einer Post aus roten Backsteinen und einem Buchladen vorbei. Einwohner von Woods Hole eilen mit hochgeschlagenem Kragen von einer Tür zur nächsten, die Gesichtshaut spröde vom Wind oder auch vom Salzwasser, wer weiß. Ist das Gesicht meines Vaters wohl vom Salzwasser spröde geworden? Wie lange lebt er schon hier? Gehört ein Junge mit einem Namen wie Johnny Bellusa nicht einfach nach Long Island?
    Eine Linkskurve kurz vor einer kleinen Brücke bringt mich zu dem Parkplatz an der Fähre nach Martha’s Vineyard. Ich finde einen Platz, stelle den Motor aus und sitze da. Es kann sein, dass ich meinem Vater körperlich noch nie so nahe war. Würde ich ihn erkennen, wenn er aus dem Wagen neben mir stiege, wenn er im Dorf an mir vorbeiginge?
    Als es im Auto zu kalt wird, schließe ich es ab und gehe hinüber zum Sea Shanty, das ich auf der anderen Straßenseite erspäht habe. Man kann dort frühstücken und zu Mittag essen. Eine Kuhglocke bimmelt über der zerbrechlichen Tür des Windfangs, und drei über ihren Kaffee gebeugte Gäste drehen sich am Tresen nach mir um. Die nackten Holzwände und die grob behauenen Deckenbalken verleihen dem Raum etwas klaustrophobisch Enges. Neben der Eingangstür stehen einige Tischchen, und ich setze mich an einen davon. Eine müde aussehende Frau mit Söckchen und Sneakers schleppt sich herbei und reicht mir die Karte.
    »Danke«, sage ich und lächle nervös, als hätte ich mich in ihrer Stadt bereits eines Vergehens schuldig gemacht. Sie entgegnet nichts. Ich starre auf die Frühstücksangebote, ohne sie wirklich zu lesen; das »Ahoi Matrose« mit drei Eiern, das »Anker lichten!« mit zweien und gehacktem Corned Beef und das »Leichte Fahrt voraus!«, zu dem es nur Hüttenkäse und Obst gibt. Ich bestelle das »Anker lichten!«, obwohl ich vermutlich noch nie im Leben Corned Beef gegessen habe. Ich blicke der abziehenden, erschöpften Serviererin nach, deren blondiertes Haar die gleiche Farbe hat wie ihre verwaschene orange Caprihose. Ich habe sie nicht nach Johnny Bellusa gefragt. Ich werde es vermutlich auch nicht tun. Plötzlich wünsche ich mir, Mickey wäre hier bei mir, oder Helen, was vielleicht noch besser wäre. Helen würde das Kind schon schaukeln. Und Mickey würde ich erlauben, mich nach Hause zu bringen.
    Ich kaue auf dem Toast herum, ohne etwas zu schmecken. Ich zerteile das Hackfleisch und zermatsche die Eigelbe mit der Gabel, damit es so aussieht, als hätte ich etwas gegessen. Ich verdiene es nicht, dass Mickey mich nach Hause bringt. Und ich habe nichts damit erreicht, so weit von ihm fort zu eilen. Ich gebe der Serviererin ohne ein Wort einen Zehn-Dollar-Schein, ohne dass der Name Johnny Bellusa mir über die Lippen kommt. Sie winkt matt, als ich gehe. Ich habe keine Ahnung, wie ich weiter vorgehen soll.
    Ich schlage den Kragen hoch, als ich auf die Straße trete, und schlendere durch das Dorf. Eine Woge des Ärgers und der Ungeduld durchfährt mich, das Einzige, was mich an diesem bitterkalten Vormittag wärmt. Der Wind dringt durch die Nähte meines Mantels und bläst mir ebenso ins Gesicht wie jedem Bewohner dieses Küstenortes. Was macht Johnny Bellusa hier? Was mache ich hier? Und warum habe ich niemanden um Hilfe gebeten?
    Ein Jugendlicher mit rasiertem Kopf und Ketten an den ausgebeulten Hosen kommt mir auf dem nahezu leeren Gehweg entgegen. Einer Eingebung folgend stelle ich mich ihm in den Weg und schaffe es schließlich, den Mund aufzumachen. »Entschuldige«, sage ich, »kennst du jemanden, der John Bellusa heißt?«
    Das

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