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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Martha’s Vineyard. Warum sollte mein biologischer Vater nicht auf Martha’s Vineyard sein? »Da gibt’s die wirklich lukrativen Projekte«, erklärt Peter.
    »Wann kommt er denn zurück?«
    »Heute nicht mehr. Aber morgen früh sollte er wieder hier sein.«
    Eine Last senkt sich auf meine Brust, und ich beschließe, sie für Enttäuschung zu halten. Aber was macht es schon, einen Tag länger zu warten, nach zweiunddreißig Jahren? Ich atme tief ein. »Und wann?«, frage ich, doch Peter DaSilva lächelt mich an.
    »Sobald es hell wird, vermute ich. Kann ich ihm denn etwas ausrichten?«
    Ich schüttele verneinend den Kopf.
    »Gut«, sagt er. »Dann erzähle ich ihm nur, dass eine hübsche Dame aus New York nach ihm sucht.«
    »Danke.« Ich greife nach der Handbremse, damit er nicht sieht, wie ich rot werde.
    »Gern geschehen, Roseanna Plow.«
    Mein Name ist Roseanna Plow und ich komme besser über den Cape-Cod-Kanal, als ich durch den Geburtskanal gekommen bin. Ich fahre langsam und vorsichtig, bleibe auf der Bourne Bridge in meiner Spur und schaue nicht mal auf die aufgewühlte, winterliche See unter mir. Ich verbringe den Nachmittag mit Autofahren und hoffe, dass mein Bammel ähnlich dahinschmilzt wie mein Benzinpegel. Über die Brücke und wieder zurück. Erst in Richtung meines Zuhauses, dann wieder nach Woods Hole. Komme ich oder gehe ich? Wusste ich das je?
    Als ich wieder in Woods Hole bin, hat das Sand’n Surf Motel so viele freie Zimmer, dass der Mann am Empfang mir mehrere Möglichkeiten zur Wahl stellt. »Eins-dreizehn hat einen besseren Kabelempfang, aber keinen Meeresblick«, vertraut der alte Mann in dem Angorapulli mir an und schiebt seine Brille nach oben.
    »Wie Sie meinen«, sage ich und trommele mit den Fingern auf die Theke.
    Der zerknitterte Angestellte sieht mich verwirrt an, dreht sich dann um und nimmt einen Schlüssel von dem Brett an der Wand. Seine Glatze glänzt im Neonlicht. »Die meisten Leute mögen den Meeresblick, aber es ist ja schließlich Winter«, sinniert er.
    Fünf Minuten später versinke ich in einer megaweichen Matratze in einem Zimmer ohne Meeresblick. Die Sonne steht tief hinter dem Fenster. Der Tag entschwindet, die Welt wird grau. Ich liege immer noch im zugeknöpften Mantel und mit geschlossenen Augen auf einer goldenen, karierten Tagesdecke. Die Müdigkeit übermannt mich. Ich atme den Geruch nach Desinfektionsmittel und Salz ein und aus und frage mich, warum ich Peter DaSilva nicht eine Telefonnummer für Johnny Bellusa dagelassen habe. Es wäre besser gewesen, erst von diesem sicheren Zimmer mit der Muscheltapete aus mit meinem Vater zu telefonieren, bevor ich mich entscheide, was ich als Nächstes tue. Stattdessen werde ich zum zweiten Mal die gleiche irritierende Situation durchleben: Die lange verschollene Tochter kommt bei dem halb fertigen Haus an und sitzt glotzend in ihrem Auto mit dem New Yorker Kennzeichen.
    Plötzlich vermisse ich Mickey. Wäre es nicht nett, morgen früh mit ihm neben mir auf dem Beifahrersitz über die Albatross Lane zu fahren?
    Dafür ist es jetzt zu spät. Ich zwinge mich zu schlafen. Mit etwas Glück muss ich mich dem Leben bis morgen früh nicht mehr stellen.
    Es sei denn natürlich, das Handy klingelt.
    Plötzlich dröhnt die Polkamelodie in meinen Ohren. Ein blöder Klingelton, den ich ausgewählt habe, um Helen zu ärgern, dann aber nie ausgetauscht habe. Ich wache in totaler Finsternis auf, taste um mich und finde das Handy schließlich auf dem Nachttisch.
    »Hallo?«, stammele ich und rappele mich im zugeknöpften Mantel erschöpft auf.
    »Roseanna?«
    Glück strömt durch meine trägen Venen. Ich wusste, dass er anrufen würde! Ich wusste, dass er mich nicht verlassen hat!
    »Hier ist Mickey«, sagt er.
    »Ham!«, entfährt es mir.
    Er antwortet nicht.
    »Es tut mir ja so entsetzlich leid wegen letzter Nacht, Mickey.«
    Auch dieses Mal antwortet er nicht. Ich reibe mir die Augen, versuche, einen klaren Kopf zu bekommen. »Wie viel Uhr ist es?«
    »Es ist zwanzig Uhr. Wo bist du?«
    »Ich bin in meinem Motelzimmer. Ich habe geschlafen.«
    »Du hast um acht Uhr abends schon geschlafen?«
    Etwas stimmt nicht. Ich richte mich auf, werde hellhörig. »Ich hatte einen schweren Tag«, fange ich an.
    »Deshalb bist du zu Bett gegangen, ohne mich wissen zu lassen, dass du angekommen bist?«
    »Ich bin nicht wirklich ins Bett gegangen«, verteidige ich mich. »Ich hab mich nur ausgeruht …«
    »Wie auch immer. Ich rufe an, um dir wegen

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