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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Augenfarbe seiner vergessenen Liebe sehen? Ich reibe mit Spucke über meine Wangenknochen und versuche, das Rouge wegzubekommen. Möchte er, dass seine Tochter hübsch ist? Oder sexy? Daran scheint mir etwas verkehrt zu sein. Frauen sollen in den Augen ihrer Liebhaber sexy sein, nicht in denen ihrer Väter. Und doch: Indem ich mit den Fingern das rohe Fleisch zwicke, gestehe ich mir die Wahrheit: Ich sehne mich danach, für ihn hübsch zu sein. Danach, seiner würdig zu sein.
    Auf nichts davon habe ich Einfluss. Ein Mann könnte aus diesem Haus kommen, mir einen Blick schenken und nur etwas wie eine vage Enttäuschung verspüren, nur den unwillkommenen Beweis für einen Fehler aus seinem früheren Leben sehen. Ein kalter Schauer läuft mir über die Arme, als mir dieser Gedanke kommt. Was, wenn ich nur ein Fehler bin?
    Plötzlich hört das Hämmern auf. Das Krächzen einer Möwe ist der einzige Laut im ganzen Universum. Einige Minuten Schweigen folgen, dann wird ein Radio aufgedreht. Eine laute Werbemelodie ist zu hören.
    Hey! Wo soll’s denn hingehen?
Zu Frankies Fischbar!
Da gibt’s leckere Fische und Muscheln – klar …
    Jemand kommt auf das zu, was später einmal die Haustür sein wird. Er kommt näher, bis ich ein rotes Hemd, blaue Jeans und riesige, verstaubte Arbeitsstiefel erkennen kann. Ich umklammere das Steuer, als mein Mund plötzlich wie ausgetrocknet ist. Hey! Wo soll’s denn hingehen? Der Mann stützt sich mit den Armen gegen den Türrahmen und blickt nach draußen aufs Meer. Dann wandert sein Blick zu mir. Ich blicke hinunter in meinen Schoß. Ich spüre, wie er näher kommt.
    Ich will das Auto per Knopfdruck verriegeln, doch es ist bereits verriegelt. Das kommt mir dumm vor, wo ich doch den ganzen Weg in der Hoffnung gefahren bin, diesen Jemand auf mich zukommen zu sehen. Wieder drücke ich den Knopf, und die Türen entriegeln sich. Der Mann kommt näher. Ich verriegele die Türen wieder, lasse aber das Fenster herunter. Kalte Winterluft strömt herein. Ich starre stur geradeaus und spüre den Mann mehr herankommen, als dass ich ihn sehe. Nach Sekunden, die mir wie Stunden vorkommen, legt sich ein karierter Flanellarm in das Fenster der Fahrertür. Ich höre, wie ich nach Luft schnappe.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, Miss?«
    Mein Kopf fährt herum. Was ist das? Diese Stimme klingt jungenhaft, nicht nach dem samtweichen Bass auf Johnny Bellusas Anrufbeantworter. Ich zwinge mich, den Kopf zum Fenster zu drehen, und sehe einen jungen Mann, der mich anstarrt. Seine braunen Augen sind vor Neugier zusammengekniffen. Er kann nicht älter als zweiundzwanzig sein. Er sieht sehr gut aus. Er hat ein unglaublich kantiges Kinn, wie ein Filmstar. Ich setze mich auf. Der junge Mann hat einen leichten Bartschatten, verwuscheltes braunes Haar und Schultern so breit wie die von Mickey Hamilton. Ich kriege den Mund nicht auf.
    »Haben Sie sich verfahren oder so?« Der junge Mann kratzt sich die unrasierte Wange. Ich kann nicht glauben, dass ich Mickey einfach so habe gehen lassen – ihn einfach mitten in der Nacht aus dem Bett habe aufstehen und gehen lassen.
    »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    Konzentrier dich, denke ich. Sprich . »Mein Name ist Roseanna Plow«, verkünde ich, als wäre das eine Erklärung für alles. Ist es anscheinend aber nicht. Der gut aussehende Jüngling wartet geduldig auf mehr. Ich bin versucht, ihm zu erzählen, dass ich mich verkehrt herum durch den Geburtskanal geackert habe, genau wie Helen es in diesem Moment getan hätte.
    »Ich bin Peter DaSilva«, sagt der Mann hilfsbereit. Er streckt die Hand durchs offene Fenster und ich schüttle sie. Ich komme einfach nicht über seinen Anblick hinweg. Er könnte der nächste Mann des Monats in der Cosmopolitan sein. Ich stelle mir vor, wie ich eine Seite umblättere und eine Hochglanzaufnahme seines Waschbrettbauches sehe.
    »Ich bin auf der Suche nach Johnny Bellusa«, sage ich ihm.
    »Ich arbeite mit Johnny. Na ja, genau genommen für Johnny.«
    »Ist er da?«
    »Tut mir leid«, sagt er. »Aber heute bin ich allein. Johnny ist auf dem Weinberg, hat eine Besprechung mit den Elektrikern für ein Projekt dort.«
    »Auf dem Weinberg?« Die Vorstellung von einem Trauben pressenden Johnny Bellusa geistert durch meine verwirrten Gedanken.
    »Auf Martha’s Vineyard«, fügt Peter hinzu. Er deutet mit seinem perfekt modellierten Kinn aufs Meer. »An klareren Tagen als heute kann man die Insel von hier aus sehen.«
    Natürlich.

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