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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nella Larsen
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gewohnt, aber dieses eine Risiko musst du nicht eingehen, Clare. Nichts als ein egoistischer Einfall, unnötig und – Ja, Zulena, was ist?«, erkundigte sie sich etwas ungehalten bei der Bediensteten, die lautlos im Türrahmen erschienen war. »Telefon für Sie, Mrs. Redfield. Mr. Wentworth.«
    »Ist gut. Danke. Ich nehme es hier an.« Und mit einer zu Clare hin gemurmelten Entschuldigung nahm sie den Hörer auf.
    »Hallo … Ja, Hugh … Oh, ganz … Und Ihnen? … Leider ist jeder Einzelne weg … Oh, was für ein Pech … Ja-a, vermutlich ginge das. Allerdings nicht sehr angenehm … Ja, natürlich, im Notfall geht alles … Warten Sie! Ich tausche meinen Platz mit demjenigen, der direkt neben Ihrem ist, und dann können Sie den haben … Nein … ich meine es ernst … Ich werde so viel zu tun haben, dass ich gar nicht weiß, ob ich sitze oder stehe … Solange nur Brian einen Platz hat, um sich hin und wieder auszuruhen … Keiner Menschenseele … Nein, bloß nicht … Das ist schön … Liebe Grüße an Bianca … Ich kümmere mich gleich darum und rufe Sie zurück … Auf Wiedersehen.«
    Sie legte auf und drehte sich zu Clare, in ihren weich geschnittenen Gesichtszügen drückte sich ein leichtes Missfallen aus. »Es geht um die N.W.L.«, erklärte sie, »die Negro Welfare League, weißt du. Ich bin im Tickett-Komitee der Benefizveranstaltung oder vielmehr ich bin das Komitee. Dem Himmel sei Dank, dass sie morgen Abend stattfindet und dann erst wieder in einem Jahr. Ich drehe fast durch, und jetzt muss ich noch jemanden überreden, mit mir den Platz in der Loge zu tauschen.«
    »Das war doch nicht etwa Hugh Wentworth? Nicht der Hugh Wentworth?«
    Irene neigte den Kopf. Ein winziges triumphierendes Lächeln erschien in ihrem Gesicht.
    »Ja, der Hugh Wentworth. Kennst du ihn?«
    »Nein. Wie sollte ich? Aber ich weiß, wer er ist. Und ich habe ein paar Bücher von ihm gelesen.«
    »Sind doch sehr gut, nicht?«
    »Hmm, schon. Irgendwie voller Verachtung, habe ich den Eindruck. Als würde er mehr oder weniger jeden und alles verachten.«
    »Das würde mich nicht überraschen. Immerhin hat er sich das Recht dazu redlich verdient. Hat auf mindestens drei Kontinenten gelebt, immer weit weg vom Schuss. Hat in den wildesten Gegenden der Welt jeder Gefahr ins Auge geblickt. Da wundert es einen nicht, dass er glaubt, der Rest von uns ist nichts als ein fauler, sich selbst verhätschelnder Haufen. Hugh ist dennoch ein Schatz, uneigennützig wie einer der zwölf Jünger persönlich; gibt dir das eigene Hemd. Bianca – das ist seine Frau – ist auch nett.«
    »Und er kommt zu deiner Tanzveranstaltung?«
    Irene fragte, warum denn nicht.
    »Ist schon seltsam, ein Mann wie er geht zu einer Tanzveranstaltung für Schwarze.«
    Wir sind immerhin im Jahr 1927, betonte Irene, dazu in New York City, und Hunderte von Weißen vom Typ Hugh Wentworth strömen zu solchen Ereignissen in Harlem, und jedes Mal würden es mehr. So viele, dass Brian gesagt hatte: »Bald schon dürfen Farbige überhaupt nicht mehr rein, oder sie müssen nach den Jim-Crow-Gesetzen getrennt sitzen.«
    »Weswegen kommen sie?«
    »Aus demselben Grund wie du, sie wollen Schwarze sehen.«
    »Aber warum?«
    »Unterschiedliche Motive. Einige wollen sich schlicht und einfach amüsieren. Andere wollen sich Anschauungsmaterial beschaffen und dann Geld draus machen. Andere wieder wollen die Großen und beinah Großen dabei bestaunen, wie sie die Schwarzen bestaunen.«
    Clare klatschte in die Hände. »’Rene, wie wär’s, wenn ich auch komme! Klingt wahnsinnig interessant und amüsant. Und ich sehe nicht ein, warum ich nicht hin sollte.«
    Irene sah sie aus zusammengekniffenen Augen an und dachte wieder, wie schon zwei Jahre zuvor auf dem Dach des Drayton, dass Clare Kendry einfach eine Spur zu gut aussah. Ihre Stimme hatte einen ironischen Unterton: »Du meinst, weil so viele andere Weiße dahin gehen?«
    Eine leichte Röte erschien auf Clares elfenbeinfarbenen Wangen. Sie hob protestierend eine Hand. »Sei nicht albern! Deswegen bestimmt nicht! Ich glaube, bei so einer Menge falle ich einfach nicht auf.«
    Ganz im Gegenteil, meinte Irene. Es könnte sogar doppelt gefährlich sein. Irgendein Freund oder ein Bekannter von John Bellew oder auch von ihr könnte sie dort wiedererkennen.
    Darüber lachte Clare lange, ein kleiner musikalischer Triller nach dem anderen. So als wäre der Gedanke, dass ein Freund von John Bellew je zu einer Tanzveranstaltung von Schwarzen

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