Seitenwechsel
Junior und Ted, die mit Raufen aufgehört hatten und beiseitegesprungen waren. Juniors Gesichtsausdruck war seltsam feindselig. Teds verriet nichts.
Clare sagte: »Bitte, seid nicht böse. Natürlich weiß ich, dass ich den Spaß verdorben habe. Aber vielleicht, wenn ich verspreche, nicht allzu sehr im Weg zu sein, lasst ihr mich trotzdem rein.«
»Klar, kommen Sie rein, wenn Sie wollen«, sagte Ted zu ihr. »Wir können Sie ja nicht abhalten.« Er lächelte und machte eine kleine Verbeugung in ihre Richtung, dann wandte er sich zu einem Regal mit seinen Lieblingsbüchern. Er nahm sich eins, setzte sich auf einen Stuhl und begann zu lesen.
Junior sagte nichts, tat nichts, stand bloß abwartend da.
»Steh auf, Ted! Das ist unhöflich. Theodore – Mrs. Bellew. Entschuldige bitte seine schlechten Manieren. Er kann’s anders. Und das ist Brian junior. Mrs. Bellew ist eine gute Freundin von eurer Mutter. Wir haben zusammen gespielt, als wir klein waren.«
Clare war gegangen, und Brian hatte angerufen, dass er aufgehalten worden war und in der Stadt zu Abend essen würde. Irene war froh darüber. Sie selbst wollte später noch weg, und das hieß, dass sie Brian wahrscheinlich nicht vor dem nächsten Morgen sehen würde und somit das Gespräch über Clare und die Tanzveranstaltung um weitere Stunden hinausschieben konnte.
Sie war böse auf sich und auf Clare. Aber mehr auf sich, weil Clare sie dazu hatte überreden können, etwas zu tun, das sie, wie Brian ja indirekt gebeten hatte, nicht hätte tun sollen. Sie wollte ihn nicht aufbringen, nicht gerade jetzt, nicht solange er von dieser absurden Rastlosigkeit besessen war.
Sie war auch verärgert, weil sie sich bewusst war, dass sie einer Sache zugestimmt hatte, die, sollte sie über die Tanzveranstaltung hinausgehen, zahlreiche kleinere Unannehmlichkeiten und Ausflüchte für sie zur Folge hätte. Und nicht nur zu Hause mit Brian, sondern auch im Freundes- und Bekanntenkreis. All die Verdrießlichkeiten, die Clare Kendrys Auftauchen mit sich brachte, erschienen vor ihrem Auge als eine einzige Kette von Verdruss.
Clare hatte anscheinend ihre Fähigkeit bewahrt, sich das Begehrte gegen allen Widerstand zu beschaffen und dabei das Wohlbefinden und die Wünsche der anderen völlig außer Acht zu lassen. Sie hatte etwas Hartes und Beharrliches an sich wie die Kraft und Beständigkeit eines Felsens und ließ sich nicht unterkriegen oder ignorieren. Unmöglich, dass Clare ein völlig gelassenes Leben geführt hatte. Nicht mit dem dunklen Geheimnis, das für immer im Hintergrund ihres Bewusstseins kauerte. Und doch hatte sie nicht das Aussehen einer Frau, deren Leben durch Ungewissheit oder Leiden geprägt ist. Schmerz, Angst und Trauer hinterließen Spuren. Selbst die Liebe, dieses besondere, quälende Gefühl, hinterließ feine Spuren im Gesicht.
Aber Clare – Clare war beinah ganz so geblieben wie immer, ein anziehendes, etwas einsames Kind – egoistisch, eigensinnig und beunruhigend.
drei
In der Erinnerung kamen Irene Redfield die Einzelheiten der Tanzveranstaltung unbedeutend und zusammenhanglos vor.
Sie erinnerte sich an das leicht spöttische Lächeln, mit dem Brian seinen Verdruss bemäntelt hatte, als sie ihm ganz kleinlaut gestand, dass sie versprochen habe, Clare mitzunehmen, und von dem Gespräch bei ihrem Besuch erzählte.
Sie erinnerte sich an ihren eigenen unterdrückten kleinen Ausruf der Bewunderung, als sie einige Minuten verspätet die Treppe heruntergekommen und ins Wohnzimmer geeilt war, wo Brian mit Clare bereits wartete. Clare, golden, duftend, erlesen, strahlte in einer vornehmen Robe aus schimmerndem schwarzem Taft, deren langer, weiter Rock sich in anmutigen Falten um ihre schlanken, goldenen Schuhe legte; ihr glänzendes Haar war straff nach hinten gezogen und im Nacken zu einer schmalen Rolle eingeschlagen; ihre Augen funkelten wie dunkle Juwelen. Irene kam sich in ihrem neuen rosafarbenen Chiffonkleid, das am Knie endete, und dem Kurzhaarschnitt unelegant und gewöhnlich vor. Sie bedauerte, dass sie Clare nicht geraten hatte, etwas Schlichtes, Unauffälliges zu tragen. Was um Himmels willen würde Brian davon halten, wenn man so offensiv Aufmerksamkeit forderte? Aber wenn es in Clare Kendrys Auftritt irgendetwas gab, das Brian Redfield ärgerte oder missfiel, so entging das jedenfalls seiner Frau, als sie nervös und schuldbewusst dastand und in sein Gesicht schaute, während Clare erklärte, sie hätten sich schon bekannt gemacht, und
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