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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nella Larsen
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ginge, für sie das Amüsanteste auf der Welt.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie, als sie aufgehört hatte zu lachen, »dass wir uns darüber Sorgen machen müssen.«
    Irene war sich aber nicht so sicher. Doch all ihre Versuche, Clare vom Besuch abzuhalten, waren vergebens. Auf ihr »Man kann nie sagen, auf wen man dort trifft«, antwortete Clare: »Ich lasse es mal darauf ankommen.«
    »Außerdem wirst du keine Menschenseele kennen, und ich werde zu beschäftigt sein, mich um dich zu kümmern. Du wirst dich zu Tode langweilen.«
    »Werde ich ganz bestimmt nicht. Wenn niemand mich zum Tanzen auffordert, nicht einmal Dr. Redfield, werde ich einfach dasitzen und die Großen und auch die beinah Großen anstarren. Sei doch lieb, ’Rene, und lade mich ein.«
    Irene wandte sich ab von der Liebkosung in Clares Lächeln und sagte schnell und entschieden: »Das werde ich nicht.«
    »Und ich gehe auf jeden Fall«, erwiderte Clare, und ihre Stimme war ebenso entschieden wie Irenes.
    »O nein. Du kannst unmöglich allein dorthin. Es ist eine öffentliche Veranstaltung. Alle möglichen Leute, die einen Dollar zahlen können, kommen dahin, selbst leichte Mädchen auf der Suche nach Freiern. Solltest du allein auftauchen, könnte man dich für eine von ihnen halten, und das wäre nicht lustig.«
    Clare lachte wieder. »Danke. Ist nie passiert. Könnte ganz amüsant sein. Ich warne dich, ’Rene, wenn du nicht nett zu mir bist und mich mitnimmst, werde ich mich dennoch unters Volk mischen. Mein Dollar ist ja wohl genauso viel wert wie der von jedem anderen.«
    »Ach, der Dollar! Sei nicht blöd, Clare. Mir ist egal, wo du hingehst oder was du tust. Was mich beschäftigt, sind die Unannehmlichkeiten und die Gefahr, der du dich wegen deiner Situation aussetzen könntest. Um es ganz offen zu sagen, mir wäre es nicht recht, in irgendeine Auseinandersetzung verwickelt zu werden.« Sie war beim Sprechen wieder aufgestanden und trat ans Fenster, hob die gelben Chrysanthemen in dem grauen Steinkrug auf dem Sims und arrangierte sie. Ihre Hände zitterten leicht, sie war nahe daran, vor Ungeduld und Erbitterung die Beherrschung zu verlieren.
    Clares Gesicht sah seltsam aus, als würde sie gleich wieder in Tränen ausbrechen. Sie wippte unruhig mit einem ihrer Satinschuhe. Heftig, fast hitzig sagte sie: »Zum Teufel mit Jack! Er hält mich von allem fern. Von allem, was mir am Herzen liegt. Ich könnte ihn umbringen. Ich rechne damit, dass ich es eines Tages tun werde.«
    »Das täte ich nicht«, sagte Irene. »Immerhin gibt es noch die Todesstrafe, zumindest in diesem Staat. Und wirklich, Clare, schließlich und endlich sehe ich nicht, dass du ein Recht hättest, ihm die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben. Du musst schon zugeben, es gibt auch seine Sicht der Dinge. Du hast ihm nicht gesagt, dass du eine Farbige bist, und so kann er unmöglich wissen, dass du diese Sehnsucht nach Schwarzen hast und dass es dich bis aufs Blut reizt, wenn man Schwarze als Nigger und als schwarze Teufel bezeichnet. Meiner Meinung nach musst du einfach bestimmte Dinge ertragen und auf andere verzichten. Wie bereits gesagt, man muss für alles zahlen. Sei also bitte vernünftig.«
    Aber für Clare spielten offensichtlich Vernunft und Vorsicht keine Rolle mehr. Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, ich kann nicht«, sagte sie. »Ich wäre es, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Du weißt nicht, du kannst es dir nicht vorstellen, wie gern ich Schwarze sehen möchte, mit ihnen wieder zusammen sein möchte, mit ihnen sprechen, sie lachen hören.«
    Und in dem Blick, den sie Irene gab, war etwas Tastendes und Hoffnungsloses, dennoch klar Entschiedenes, das wie ein Abbild war von dem vergeblichen Forschen und dem festen Entschluss in Irenes Seele, und er verstärkte den Zweifel und die Gewissensbisse, die sie wegen Clare Kendry bereits hatte.
    Sie gab sich geschlagen.
    »Dann komm, wenn du unbedingt willst. Vermutlich hast du sogar recht. Ein Mal kann nicht so schrecklich schaden.«
    Nachdem sie Clares überschwänglichen Dank beiseitegewischt hatte, denn sie bedauerte es auf der Stelle, dass sie zugestimmt hatte, sagte sie rasch: »Möchtest du mit nach oben und die Jungen sehen?«
    »Nur zu gern.«
    Sie gingen nach oben, und Irene musste denken, dass sie sich in Brians Augen sicherlich wie ein Waschlappen verhalten hatte. Und er hatte recht. Es stimmte.
    Clare lächelte. Sie stand im Türrahmen des Spielzimmers, ihre geheimnisvollen Augen schauten auf

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