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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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dass Männer auf mich immer genau dann unwiderstehlich wirkten, wenn sie einen Rückzieher machten? Ich kämpfte gegen den Impuls an, meinen Chef über den Schreibtisch zu mir zu zerren und abzuknutschen. Das kam mir äußerst unklug vor, nachdem er mir gerade so selbstlos die Entschuldigung abgenommen hatte, die ich ihm eigentlich schuldete. Stattdessen deutete ich schnell auf die Leksvik-Serie im Katalog.
    »Altmodisch, etwas verschnörkelt, ein schöner Kontrast zu der modernen Fabrik-Atmosphäre.«
    Hannes blätterte interessiert durch die Seiten, die ich mit Post-Its markiert hatte, und wirkte dabei, als müsste er einen Artikel redigieren.
    »Gefällt mir. Was schlägst du vor?« Auch der Satz war mir aus unseren Sitzungen nur allzu bekannt, und mich beschlich kurzzeitig das Gefühl, dass er diese Floskel immer dann anwendete, wenn er keinen blassen Schimmer hatte und die ganze Arbeit auf jemand anderen abwälzen wollte.
    Aber das ließ ich ihm nicht durchgehen und sagte: »Dass du mit mir einkaufen fährst.«
    »Ist das dann wieder so eine Nichtverabredung?«
    »Nein«, lächelte ich ihn an. »Das ist einfach nur dringend nötig.«

    Wir hatten noch nicht einmal den Wohnzimmerbereich erreicht, als meine Liste im Gegensatz zu der von Hannes bereits voll war. Ich hatte mir einiges vorgenommen, damit Kais nächster Aufenthalt bei mir nicht wieder so ein Reinfall werden würde. Ich wollte ihm ein komplettes Kinderzimmer einrichten, mit Ritterburg, Rutsche und Kuschelecke. Doch als wir zur Bettenabteilung kamen, erlitt mein verspäteter Nestbautrieb einen gehörigen Dämpfer. Es war das Hochbett. Kais Hochbett war immer noch ein Verkaufsschlager, und mit einem Mal stand nicht mehr Hannes, sondern Tim neben mir. Wir hatten Kai das Hochbett zu seinem dritten Geburtstag gekauft und uns für dieses Modell entschieden, weil es sich so leicht zu einem Etagenbett umfunktionieren ließ. In einem Anfall von Vorfreude auf Kais Geburtstag hatten wir mehr oder weniger scherzhaft über ein zweites Kind nachgedacht. Das war, bevor Tim sich in eine andere Frau verliebt hatte. Oder hatte er da schon geahnt, dass irgendetwas zwischen uns nicht mehr stimmte? Natürlich hatte er das. Unsere Probleme waren da schließlich längst offensichtlich gewesen. Vielleicht hatte er sich auch schon in Sarah verguckt, und die Witze über ein kleines Schwesterchen für Kai waren sein Versuch gewesen, sich selbst zu überlisten. Mir wurde plötzlich ganz anders, als ich Kais Hochbett jetzt unter diesem veränderten Blickwinkel betrachtete.
    »Das Hochbett nehme ich aber nur, wenn es eine Rutsche hat«, scherzte Hannes, bis er die Tränen bemerkte, die mir über die Wangen rollten. »Was ist los?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie hat Kai ein Piratenschiff geschenkt.«
    »Was? Wer?«
    »Sie hat Kai einfach das Piratenschiff geschenkt, dabei hatten Tim und ich abgemacht, dass wir es ihm nicht schenken, obwohl Kai es unbedingt haben wollte, weil es viel zu teuer ist und viel zu groß und Kai noch viel zu jung dafür und er es sowieso nach ein paar Tagen in die Ecke wirft und vergisst. Aber sie hat es ihm geschenkt. Und Tim hat nichts dagegen unternommen.«
    Hannes verstand zwar nicht, wovon ich redete, schob mich aber trotzdem behutsam in die hinterste Ecke der Bettenabteilung. Wir setzten uns auf ein Hemnes-Modell, und Hannes hörte aufmerksam zu, während ich ihm von meinen verregneten Tagen mit Kai vorjammerte, davon, wie er unbedingt wieder nach Hause wollte, zu seinem Vater, und wie ausgerechnet ich gezwungen war, das Geschenk von Sarah zusammenzubasteln, meiner Rivalin, die im Übrigen dick, klein und blond war.
    »Und das ist schlimm, weil …?«, warf Hannes irritiert ein.
    »Weil es bedeutet, dass Tim sich ernsthaft in sie verliebt hat. Dass es nicht nur ein Seitensprung ist, weil die andere langbeinig, schlank und superattraktiv ist. Sondern weil sie irgendwas hat, was ich nicht habe.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Hannes vehement. »Es bedeutet nur, dass Liebe nicht planbar ist. Dass wir nicht bestimmen können, in wen wir uns wann und wieso verlieben.«
    Er schaute mich ernst an, aber ich war für seine Weisheiten im Moment nicht empfänglich. Enttäuscht zerknüllte ich meine Einkaufsliste.
    »Ich wurde ersetzt«, stellte ich halb traurig, halb wütend fest. »Erst bei Tim, und jetzt bei Kai. So wie man einen Motor ersetzt, wenn der alte stottert oder nicht mehr anspringt. Zack, einfach ein neuer und die Familienkutsche läuft

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