Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
Vom Netzwerk:
war dieser ganze Tim-liebt-jetzt-Sarah-Kram völlig abstrakt geblieben und daher auch einfacher zu verdrängen. Aber der Anblick von Tim Arm in Arm mit ihr gab mir noch einmal einen heftigen Stich. In dem Zustand wollte ich Kai lieber nicht persönlich bei Tim abliefern, und so schickte ich ihn allein die Treppe hoch und teilte Tim per Türsprechanlage mit, dass ich es leider eilig hätte, weil ich noch in die Redaktion müsse. Dann kam ich mir doch zu unfreundlich vor und erkundigte mich wenigstens noch nach seinen Prüfungen. Er war zuversichtlich, dass alles gut gelaufen war, was mich nicht wunderte, schließlich hatte er bisher alles gut gemeistert. Studium, erstes Staatsexamen, Referendariat. Er war der geborene Lehrer.
    »Na dann, herzlichen Glückwunsch«, sagte ich, und merkte selbst, dass es sich irgendwie anklagend anhörte.
    »Danke«, kam es aus der Sprechanlage zurück. »Und danke auch, dass du auf Kai aufgepasst hast.«
    »Warum bedankst du dich dafür?«, fragte ich irritiert.
    »Na ja, weil du dir extra freinehmen musstest.«
    »Das mache ich für Kai doch gerne.«
    »Ja, klar«, ertönte seine verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher und klang nun seinerseits anklagend.
    »Er ist auch mein Sohn, Tim, auch wenn es nicht immer danach aussieht.«
    »Ich weiß, Karina, es ist mir nur so rausgerutscht.«
    Ich bekam einen Kloß im Hals und konnte nichts erwidern. Hielt er mich für eine schlechte Mutter? War das das Problem zwischen uns? Dass ich ihn zu oft mit Kai alleine ließ, während ich mir die Abende in der Redaktion um die Ohren schlug?
    »Bist du noch da?«, fragte er. Aber ich fand es dämlich, der Sprechanlage meine Gefühle anzuvertrauen.
    »Karina, wirklich, ich werfe dir nicht vor, dass du viel zu tun hast, das habe ich nie … Hi, Großer, na wie war’s?«
    Kai war offenbar oben angekommen. Wie er unseren improvisierten, verregneten Camping-Urlaub in Tinas Dachgeschosszimmer samt misslungenem Piratenschiffstapellauf in der Pfütze fand, erfuhr ich allerdings nicht mehr. Aber ich konnte es mir denken. Mir kamen die Tränen, und ich verzog mich zurück in mein Auto, ohne mich bei Tim zu verabschieden. Nein, Tim hatte es mir nie vorgeworfen, aber ich wusste selbst, dass ich zu wenig Zeit für Kai hatte. Gerade mal zwei Monate nach seiner Geburt war ich wieder in die Redaktion zurückgekehrt, weil Tim sein flexibles Studium besser mit den Bedürfnissen eines Babys vereinbaren konnte. Und weil ich befürchtete, dass der Zug in der Sportredaktion für mich abgefahren sein würde, wenn ich zu lange Pause machte. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen gehabt und versucht, jede freie Minute mit Kai zu verbringen. Aber natürlich war mir klar, dass Kai es immer bei seinem Papa besser finden würde als bei mir. Kai und Tim waren ein Team. Kai und ich waren einfach nur Mutter und Kind. Er war ein Papakind, weil er nie die Gelegenheit gehabt hatte, ein Mamakind zu werden.

Zuverlässige Anlaufstelle
    Ecki schloss gerade seinen Kiosk ab, als ich bei ihm vorfuhr. Dabei war ich nach ein paar depressiven Minuten im Auto zu der Überzeugung gekommen, dass ich mein Selbstmitleid mit jemandem teilen sollte. Seit ich zu Tim gezogen war, hatten wir uns nur noch sporadisch gesehen. Aber Ecki war immer noch eine zuverlässige Anlaufstelle, wenn es darum ging, mich wieder aufzubauen.
    »Was wollen Sie denn hier?«, fragte er mürrisch.
    »Sie besuchen. Und warum wollen Sie schon gehen?«
    »Weil ich geahnt habe, dass Sie vorbeikommen.«
    Auf ihn war wirklich Verlass. »Tatsächlich?«
    »Nein, das war einfach nur Glück«, grinste er und trat auf einen Stock gestützt zu mir ans Autofenster. »Wollten Sie auch was kaufen oder nur meine Zeit vergeuden?«
    »Ich bitte Sie, Ecki, ein Gespräch mit mir ist nie vergeudete Zeit.«
    »Für einen Ladenbesitzer ist jede Minute, in der er nichts verkauft, vergeudete Zeit.« Trotzdem schien es Ecki nichts auszumachen, sich mit mir zu unterhalten. Ja, er wirkte sogar erfreut darüber, mich zu sehen.
    »Aber sonst würden Sie doch auch nur auf Ihrem Stuhl sitzen und mit Ihrem Hund reden«, sagte ich gespielt empört, während sein hässlicher Mischling meine Wagentür zerkratzte, bei dem Versuch, durch das Fenster auf meinen Schoß zu springen.
    Eckis unterdrücktes Schmunzeln verriet, dass er meine Sticheleien vermisst hatte. »Tja, ich würde mir ja gerne von Ihnen die Ohren vollheulen lassen …«
    »Woher wissen Sie, dass ich Ihnen die Ohren vollheulen wollte?«,

Weitere Kostenlose Bücher