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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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wieder!«
    Hannes schüttelte lächelnd den Kopf. »Das lohnt sich nicht. In der Regel ist ein neuer Motor so teuer, dass man sich besser gleich einen neuen Wagen kauft.«
    »Nicht, wenn man einen gebrauchten Motor findet, und außerdem meinte ich das doch gar nicht.«
    »Ich weiß. Normalerweise finde ich deine Metaphern ja ziemlich auf den Punkt, aber diese hinkt.«
    »Wieso?«
    Hannes sah mir ernst in die Augen. »Weil dich keiner ersetzen kann, Karina. Bei Kai nicht, bei Tim nicht und in der Sportredaktion übrigens auch nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ich auch mal ein kleiner Kai war.« Ich schaute ihn fragend an. »Mein Vater war Diplomat und zog ständig von einem Land zum anderen. Meine Mutter wollte aber, dass mein Bruder und ich an einem Ort aufwuchsen, also blieb sie mit uns in Berlin. Ich sah meinen Vater nur alle drei, vier Monate, den Liebhaber meiner Mutter dagegen fast jeden Tag. Aber mein Vater war immer mein Vater. Vergessen habe ich keinen einzigen Tag mit ihm.«
    Ich hörte ihm nachdenklich zu. Es war das erste Mal, dass er mir etwas wirklich Persönliches über sich erzählte.
    »Danke«, krächzte ich mit verheulter Stimme.
    Hannes nahm mir die zerknüllte Liste aus der Hand und strich sie glatt.
    »So, und deswegen richten wir jetzt dein Kinderzimmer für Kai ein.« Er wollte mich aufmunternd vom Bett ziehen, aber ich schüttelte müde den Kopf.
    »Es gibt gar kein Kinderzimmer für Kai«, gab ich kleinlaut zu. »Ich habe noch nicht mal eine neue Wohnung.«
    Hannes betrachtete mich eine Weile nachdenklich, bevor er sich wieder neben mich setzte und vor sich auf den Boden starrte. Dann sagte er mit kaum verhohlener Enttäuschung in der Stimme: »Vielleicht solltest du den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen.«
    Ich nickte und wusste, dass er nicht wirklich von Kais Kinderzimmer sprach. Wie konnte ich mich ernsthaft auf einen neuen Kerl einlassen, wenn ich noch nicht einmal in der Lage war, mein neues Leben ohne Tim in den Griff zu bekommen? Und davon war ich weit entfernt, wenn mich ein kleines Piratenschiff so dermaßen aus der Fassung bringen konnte.
    Ich atmete tief durch. Komischerweise hatte ich den Einkauf mit Hannes genossen, auch wenn er völlig danebengegangen war. Aber Hannes hatte recht, und es war auch nicht fair ihm gegenüber. Er war kein Typ, der sich mit der Ersatzrolle zufriedengab. Und er war bestimmt nicht der richtige Kandidat dafür, lediglich mein angeknackstes Selbstvertrauen wiederherzustellen. Dafür liefen wir uns einfach viel zu oft über den Weg.
    »Es tut mir leid«, erwiderte ich.
    »Das muss es nicht.« Hannes fand schnell zu seinem frechen Charme zurück. »Immerhin bin ich so endlich zu einer Wohnungseinrichtung gekommen.«

Etappensieg
    Also kehrten Hannes und ich wieder zum Sie zurück, und überraschenderweise funktionierte es gut. Besser als vorher. Als hätte unser gemeinsamer Kurzausflug in die Waagerechte nie stattgefunden. Wir waren wieder Chef und Untergebene und wenn wir uns mal nicht über die Arbeit unterhielten, dann war es Smalltalk und ging nie über gewisse Grenzen hinaus.
    Ungewollt hatte ich unser Verhältnis wieder ins rechte Lot gerückt, so wie Tina es verlangt hatte. Und nicht nur das. Hier und da gab es sogar vielversprechende Ansätze dafür, dass mein neues Tim-loses Leben funktionieren könnte, ja sogar einfacher war. Zum Beispiel, als Tim vorsichtig anfragte, ob ich was dagegen hätte, wenn er und Sarah Kai mit in ihren Sardinienurlaub nähmen. Der Sommerurlaub war immer eine unserer großen Beziehungsproblemzonen gewesen. Lehrer hatten Sommerferien, Sportjournalisten nicht. Vor allem dann nicht, wenn sich ein sportliches Großereignis nahtlos an das andere reihte. Es war jedes Mal ein Kampf gewesen, ein, zwei Wochen für meinen Familienurlaub freizuschaufeln. Meistens war Tim mit Kai danach noch mal alleine weggefahren. Jetzt nahm Sarah mir dieses Problem ab, auch wenn mein Bauch und alle restlichen Körperteile laut ja schrien, »und ob ich etwas dagegen habe«. Aber ich willigte trotzdem in Tims und Sarahs Urlaubspläne mit Kai ein, nicht zuletzt, weil ich selbst die nächsten drei Wochen quasi als embedded journalist mit den Radrennfahrern quer durch Frankreich fahren sollte und Kai schlecht mit auf die Tour de France nehmen konnte. Großzügig ließ ich ihn mit meiner Erzfeindin nach Sardinien fliegen und kam mir unglaublich erwachsen und ausgeglichen vor. Ich war auf dem besten Wege, meine gesammelten

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