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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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vergangen, und als wir endlich den ersten Rahmen zusammenmontiert hatten und das Regal aufrichteten, währte unser Etappensieg ganze fünf Sekunden. So lange brauchte das Regal, um sich bewusst zu werden, dass an einigen Stellen offenbar ein paar entscheidende Schrauben fehlten, und dann krachend in sich zusammenzubrechen.
    Hannes starrte kopfschüttelnd auf das Chaos vor ihm und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Ich versuchte, dem Ernst der Lage gerecht zu werden und nicht laut loszuprusten. Vergeblich. Kichernd sackte ich aufs Sofa. »Wird sie dich jetzt enterben?«, presste ich zwischen zwei Lachattacken hervor und Hannes sah mich strafend an, bis er selbst erkannte, wie albern er wirkte.
    »Ja, davon ist auszugehen.« Er ließ sich grinsend neben mir aufs Sofa fallen. Ich gluckste, er kicherte, und als wir uns beide endlich wieder unter Kontrolle hatten, sahen wir uns befangen an. Mit einem Mal herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Die Art von Stille, die am besten mit einem Kuss oder einem verkrampften Themenwechsel beendet wurde. Ich entschied mich für Letzteres: »Zeit für Pizza, würde ich sagen.«
    Hannes sah mich fragend an. Offenbar war er noch nicht oft umgezogen.
    »Pizza bestellen ist doch das Beste am Umziehen. Und gewissermaßen gehört das hier immer noch zu deinem Umzug«, erklärte ich ihm und sprang auf, um einen der Pizzaflyer zwischen der Werbung hervorzuangeln, die tagtäglich mit absoluter Zuverlässigkeit in den Kölner Briefkästen landeten.
    Hannes versuchte noch einmal vergeblich, das Regal zum Stehen zu überreden, aber offenbar hatten wir die falschen Schrauben benutzt. Ich fragte mich allmählich, was für ein Drachen seine Mutter war, wenn er wegen ihr an einem Abend das tat, was er schon ein Dreivierteljahr vor sich herschob. Aber nach einer großen Capricciosa und einem Kölsch ging uns die Arbeit wesentlich leichter von der Hand. Hannes legte Musik auf, dann versuchten wir gemeinsam, die einzelnen Montageschritte zu entschlüsseln, und teilten uns nach jedem erfolgreich aufgestellten Regal ein Kölsch. Dabei bemerkten wir gar nicht, dass es schon weit nach Mitternacht war, als die komplette Regalwand endlich stand. Da hatten wir noch keinen Blick in die Kartons geworfen, die den Hifi-Schrank, den Couchtisch und den Raumteiler zwischen Küche und Wohnbereich beinhalteten. Zufrieden betrachteten wir unser Werk, für das Profi-Monteure vermutlich nur eine halbe Stunde gebraucht hätten. Hannes versicherte, dass er den Rest ganz bestimmt morgen früh allein schaffen würde, und wollte mich müde verabschieden. Aber ich hatte schon immer ein Problem damit, Arbeit liegen zu lassen. »Was dagegen, wenn ich noch ein bisschen weitermache?«, fragte ich.
    Hannes schüttelte den Kopf. »Zieh einfach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst«, gähnte er und machte damit auch direkt klar, dass er nicht vorhatte, mir einen Platz in seinem Bett anzubieten. Ich nickte und öffnete den nächsten Karton.

    Es war schon halb neun, als mich der Geruch von frisch gekochtem Kaffee weckte. Hannes hielt zwei Tassen in der Hand und schaute sich begeistert das vollständig eingerichtete Wohnzimmer an, während mich meine schmerzenden Arme und mein tauber Rücken daran erinnerten, dass ich die ganze Nacht geschraubt, geschleppt und einsortiert hatte. Vor zwei Stunden hatte mich dann allerdings doch die Müdigkeit übermannt, und ich war auf dem viel zu kleinen Sofa ins Koma gefallen. Dabei hatte die ungesunde Schlafhaltung meinen Muskelkater nur noch verschlimmert. Mit einem lauten Stöhnen hievte ich mich in die Senkrechte.
    »Wie hast du das alles allein hinbekommen?«, fragte Hannes sichtlich beeindruckt.
    »Wenn man das System erst mal raus hat, geht es eigentlich ganz schnell«, murmelte ich, während ich unter Ächzen meinen Kopf kreisen ließ, um meine misshandelte Nackenmuskulatur etwas zu lockern.
    »Du meinst, wenn dir kein unfähiger Besserwisser dazwischenquatscht«, gab er zu.
    »Stimmt. Aber das versuche ich in der Redaktion ja auch schon vergeblich durchzusetzen.«
    Er reichte mir lachend einen Kaffee, den ich dankbar entgegennahm.
    Hannes fuhr stolz über die Buchrücken seiner ziemlich umfangreichen Sammlung und wandte sich dann der nicht weniger imposanten DVD-Kollektion zu.
    »Ach ja, wie sortierst du deine Filme und Bücher?«, krächzte ich mit heiserer Stimme.
    »Nach Epochen und Genres, wieso?«
    Ich nickte geschafft. »Irgendsoetwas Verrücktes habe ich mir schon

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