Seitenwechsel
war.
Hannes bat um meinen Ausweis, weil ich nicht mit zum Schalter kommen und sehen sollte, wohin die Reise ging. Die Optionen waren vielfältig, wie mir die Anzeigetafel verriet. New York, Paris, Rostock. Alles war möglich. Hannes kam angelaufen und zog mich eilig mit sich. Wir hetzten durch den Sicherheitscheck zum Gate 34, wo uns eine freundliche Dame vom Bodenpersonal bereits erwartete, weil wir die Letzten waren. Während Hannes die Tickets vorzeigte, konnte ich gerade noch einen Blick auf die Anzeige erhaschen, die über uns blinkte. Rom.
»Wir fliegen nach Rom?«, fragte ich außer Atem, während wir die Gangway zum Flugzeug runterliefen.
»Ja, du wolltest doch Pizza essen gehen.«
Als wir kurz darauf laut hechelnd im Flieger saßen, nahm Hannes meine Hand und erklärte lächelnd: »Und ich habe versprochen, dass wir unser gemütliches Essen nachholen.«
Ich nickte nur sprachlos, weil ich immer noch mit Luftholen beschäftigt war.
Drei Stunden später aß ich die teuerste Pizza Funghi meines Lebens. Sie war ohne Zweifel gut, ein Tick besser vermutlich als die von meinem neuen Leib-und-Magen-Pizzabäcker auf der Venloer Straße. Vielleicht war es ein antik römischer Steinofen, der den feinen Unterschied machte. Vielleicht auch die von Vespa-Abgasen geschwängerte Luft. Aber war das alles die weite Anreise wert? Oder wollte Hannes am Ende doch noch und dieses Mal in echt das H-Wort über die Lippen bringen?
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich vorsichtig.
Hannes sah von seinen Spaghetti Vongole auf und nuschelte »Wieso?«, während er ein paar widerspenstige Spaghettienden einsaugte, was er normalerweise nur tat, wenn Kai dabei war.
»Na ja, entweder du bist ein angeberischer Schnösel mit zu viel Geld und zu wenig Zeit, es auszugeben, oder du musst mir irgendetwas Unangenehmes mitteilen und brauchst dafür wenigstens ein romantisches Setting!« Mehr Erklärungen hatte ich für meine Vierhundert-Euro-Pizza nicht. Die Heirate-mich-Option ließ ich vorsichtshalber unter den Tisch fallen, ich musste ihn ja nicht noch auf falsche Gedanken bringen.
»Und wenn ich einfach nur mit dir eine Pizza essen gehen wollte?«, fragte Hannes lachend.
»Dann würde das wieder unter die erste Kategorie fallen.«
»Nicht sehr schmeichelhaft.« Hannes machte wieder ein übertriebenes Schlürfgeräusch. Dann murmelte er mit vollem Mund: »Ich hätte da noch einen besseren Grund.«
Okay, also doch. Ganz klar. Rom, Pizza, Kerze – deutlicher konnte man nicht werden. Und ich war mir in diesem Moment noch nicht mal sicher, dass ich den Antrag ablehnen würde, bei so viel Aufwand, den er betrieben hatte.
Ich sah Hannes mit einer Mischung aus Nervosität und aufgeregtem Kribbeln im Bauch zu, wie er seine Nudeln mit einem Schluck Wein runterspülte. »Ich wollte dich fragen …« Er tupfte sich mit einer Serviette über den Mund.
»Ja?«, hauchte ich angespannt.
»Ob du …« Er pulte mit der Zunge ein Stück Nudel aus einer Zahnritze. »… diese Pizza auch für die beste hältst, die du jemals gegessen hast, denn im Internet scheiden sich die Geister, und du bist schließlich eine ausgewiesene Spezialistin.«
Verdammt, was war das, eine Ermüdungstaktik? Wie oft wollte er mich eigentlich noch mit diesen perfekt romantischen Dinners ins Leere laufen lassen? Bis ich irgendwann auf dem Zahnfleisch angekrochen kam, ihn am Hosenbein zog und flehte, doch bitte bitte keine Heiratsanträge mehr vorzutäuschen, sondern mich endlich vor den Traualtar zu zerren?
Ich verdrehte die Augen. »Okay, du bist tatsächlich ein Schnösel mit zu viel Geld.«
»Ja.« Er grinste mich frech an, als wüsste er genau, dass er mich gerade an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht hatte. »Und demnächst werde ich noch weniger Zeit haben, mein noch mehr verdientes Geld auszugeben.«
Ich sah ihn fragend an, und er fügte mit vollem Mund hinzu: »Wir haben zwar noch nicht über Gehaltsvorstellungen gesprochen, als der Chef mir seine Nachfolge angeboten hat, aber ich versuche, so hoch zu pokern, dass es für eine gelegentliche Pekingente in Peking reicht.«
Es dauerte eine Weile, bis ich seine umständliche Art, mir mitzuteilen, dass wir hier im Grunde seine Beförderung zum Chefredakteur feierten, in normales Deutsch übersetzt hatte. Ich starrte ihn entgeistert an und ließ dafür sogar meine Pizza kalt werden. Mir gegenüber saß also gerade der zukünftige Chefredakteur der größten Kölner Tageszeitung, aß seine Spaghetti wie
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