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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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noch mehr romantischen Unternehmungen, langen Kinoabenden und gemütlichem Kuscheln auf dem Sofa füllte. Auch die Arbeit hatte ihren besonderen Reiz mit dem Wissen, dass hinter jeder Ecke entweder Hannes oder ein heimliches Rendezvous mit Tim auftauchen konnte. Und sogar Sarah erschien mir allmählich wie ein selbstverständliches Mitglied der Familie. Was schadete es Kai schon, zwei Mütter zu haben, wenn die eine ihm Blockflöte, Gitarre, das Tambourinspielen beibringen konnte und die andere bereit war, alle Höhen und Tiefen des FCs mit ihm zu durchleiden.
    Ich kam mir vor wie jemand, der vom Arzt nur noch drei Monate prognostiziert bekommen hatte. Ich lebte, oder vielmehr, liebte intensiver, mit dem sicheren Wissen, dass die eine oder andere, wenn nicht sogar beide Beziehungen bald vorbei sein würden. Andererseits, wer sagte eigentlich, dass es vorbei sein musste? Wer schrieb vor, dass man nur einen Mann wirklich lieben konnte? Im Grunde war es doch nur eine Frage der Organisation.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto strahlender zeichnete sich die Zukunft vor meinem inneren Auge ab, bis sich ein dunkler Schatten dazwischenschob: Tinas mageres, braungebranntes Gesicht.
    »Mit einem Inbus- oder einem Schraubenschlüssel?« Sie hatte sich breitbeinig vor mir aufgebaut und schaute mich streng an.
    »Was?« Ich blinzelte sie verständnislos an. Wieso wagte sie genau jetzt, meine Wir-lieben-uns-alle-Phantasie zu durchkreuzen?
    »Die Pedalen. Wie habt ihr sie festgeschraubt? Mit einem Inbus- oder einem Schraubenschlüssel?«
    »Wieso interessiert dich das denn jetzt?« Ich erstarrte innerlich, dabei hatten uns doch vorhin alle anstandslos die Ausrede abgenommen.
    »Ich würde es einfach nur gern wissen.«
    Verdammt, von hier aus konnte ich nicht erkennen, wie die Pedalen an Kais Fahrrad befestigt waren, und noch weniger konnte ich aus meinem beschränkten Heimwerkerwissen schöpfen. Tina versperrte mir wohlwissend den Blick Richtung Schuppen, wo ihr eigenes Fahrrad lehnte.
    »Na womit wohl.« Ich versuchte weiter, Zeit zu gewinnen.
    »Ja, genau das frage ich dich.«
    Okay, das wurde eng. Verdammt eng. »Na diesem … diesem komischen Teil eben, zum Schraubenfestziehen.«
    »Also einem Inbus.«
    »Ja!«, pokerte ich, die Chancen standen schließlich fünfzig zu fünfzig.
    »Aha.«
    »Wie ›Aha‹?« Hatte ich jetzt gewonnen oder nicht?
    Tina gab endlich ihre breitbeinige Duell-Stellung auf und setzte sich in den Liegestuhl neben mir.
    »Karina, du hast in deinem Leben noch keine einzige Pedale angeschraubt, wieso sollte Tim also ausgerechnet dich fragen, ihm zu helfen, wo du doch noch nicht einmal den Unterschied zwischen einem Inbus- und einem Schraubenschlüssel kennst?!«
    Jetzt ging sie allerdings zu weit. Natürlich kannte ich den Unterschied, ich wusste nur nicht, wo man welchen von beiden einsetzte.
    »Es war unser Geschenk, also mussten wir es auch gemeinsam zusammenbauen«, rechtfertigte ich mich.
    »Bist du dir sicher, dass ihr da oben nicht etwas ganz anderes machen musstet?«
    Warum spielte sie überhaupt dieses Handwerkerspielchen mit mir, wenn sie mich ohnehin durchschaut hatte? Das war doch, wie einem Schwein die Notausgänge zu zeigen und es dann zur Schlachtbank zu führen. Ich antwortete nicht, weil mir so schnell keine Antwort einfiel.
    Wir sahen uns nur an, und ich wusste, dass Tina Bescheid wusste und dass sie wusste, dass ich es wusste. Wir waren eindeutig zu lange befreundet.
    Wir hingen nebeneinander in den Liegestühlen und schwiegen. Ich, weil es mir peinlich war, und Tina, weil sie nichts mehr dazu sagen musste.

    Aber als Tina sich bis zum Abendessen immer noch nicht dazu geäußert hatte, fand ich es doch allmählich merkwürdig. Normalerweise hielt sie sich mit ihrer Meinung schließlich nicht zurück und ließ sich auch nicht von Anwesenden abschrecken, die durch ihre Meinung möglicherweise verletzt werden könnten. Aber bitte, mir sollte es recht sein, wenn sie altersweise geworden war. Ich konnte auf ihre Ratschläge, die sich ja doch nur wiederholten, gerne verzichten. Stattdessen bemühte ich mich lieber, besonders familienorientiert und freundlich zu sein. Nachdem ich Kai eine halbe Stunde durch den Garten geschoben und einen krummen Rücken hatte, half ich Sarah, die Kuchenreste vom Gartentisch in die Küche zu räumen, schließlich ging das üppige Kaffeegelage nahtlos in den obligatorischen Grillabend über. Ich brachte sogar ein ungezwungenes Lob zustande, als ich anmerkte,

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