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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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»geladen und gesichert« ist. Das bedeutet, dass auch noch ein Schuss im Patronenlager des Gewehres steckt und die Waffe somit feuerbereit ist, sobald der Sicherungshebel umgelegt wird. Ein kurzer Blick auf die Stellung des Sicherungshebels bestätigt mir seine Angabe, und so lege ich mich auf den Bauch, nehme das Gewehr auf, ziehe die Schulterstütze in die Schulter ein und blicke zunächst probeweise durch das Zielfernrohr.
    Für jemanden, der noch nie durch ein Zielfernrohr geblickt hat, mag es einfach erscheinen, ein Ziel mittels dieser Zielhilfe anzuvisieren. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es bedarf zunächst einiger Übung, überhaupt den korrekten Blick durch das Zielfernrohr zu entwickeln. Schaut man beispielsweise nicht in geradem Winkel durch die Optik, so können sehr schnell (und meistens leider unbemerkt) Zielfehler entstehen, die im Einsatzfall möglicherweise zu einem Fehlschuss mit fatalen Auswirkungen führen können. Gleiches gilt natürlich auch für falsche Entfernungseinstellungen zum Ziel, welche üblicherweise nach einer Messung mit einem Entfernungsmesser am Zielfernrohr eingestellt werden müssen. Ein weiterer Nachteil des Zielfernrohrs ist, man glaubt es kaum, die starke Vergrößerung des Ziels. Visiert ein Schütze beispielsweise den Kopf eines Täters an, so kann er häufig dessen gesamten Körper und vor allem die unmittelbare Umgebung gar nicht sehen. Aus diesem Grunde arbeiten Präzisionsschützen nicht allein, sondern sind in aller Regel als Zwei-Mann-Teams unterwegs. Neben dem eigentlichen Schützen ist es der sogenannte Spotter, der mit einem Fernglas die Umgebung beobachtet und den Schützen bei der Zielfindung und Beobachtung unterstützt. Wie schwierig es ist, das korrekte Ziel anzuvisieren, zeigt sich auch auf dem Schießstand das ein oder andere Mal, nämlich dann, wenn der eifrige Schütze mit Begeisterung die Zielscheibe seines neben ihm liegenden Kollegen durchlöchert, ohne dies zu bemerken.
    Heute allerdings sollte dieser Umstand zu einem viel tragischeren Ergebnis führen, doch noch gilt für uns alle die übliche Trainingsroutine.
    Piet steht am äußersten linken Rand des großen Sandhügels, der als Kugelfang für die Geschosse dient. Er hält den Seilzug in Händen, mit dem er den Karren, auf dem die Zielscheibe befestigt ist, quer zu unserer Schießrichtung bewegt.
    Bei einer »normalen« Schießausbildung, wie sie bei der Polizei oder auch der Bundeswehr durchgeführt wird, ist es undenkbar, dass sich eine Person überhaupt nur in der Nähe der einschlagenden Geschosse aufhalten darf. Bei dem Training von Spezialeinheiten ist dies aber nicht nur unvermeidlich, sondern darüber hinaus auch überaus wichtig. Bei jedem Einsatzfall kann es sich als notwendig erweisen, dass Kollegen, die sich unmittelbar hinter- oder nebeneinander befinden, gleichzeitig das Feuer auf erkannte Ziele eröffnen müssen. Daher muss jeder Beamte im Training auch das Gefühl kennenlernen, wie es ist, wenn Waffen in seiner unmittelbaren Nähe abgefeuert werden oder die Geschosse aus den eigenen Reihen dicht an ihm vorbeifliegen. Nur so kann er eigene Sicherheit und das Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Kollegen gewinnen und wird nicht von seiner Aufgabe abgelenkt. Dass dies mit einem erhöhten Risiko für die Gesundheit oder sogar das Leben der Trainierenden verbunden sein kann, versteht sich von selbst, jedoch ist jedem SEK-Beamten bewusst, wie gefährlich sein Job ist – auch und gerade wegen des anspruchsvollen Trainings. Es sei hier ergänzt, dass die meisten schweren Verletzungen von Beamten der Spezialeinheiten beim Training und nicht im Einsatz vorkommen. Ohne ein solches praxisorientiertes Training jedoch sind die Selbstgefährdungen in einem potenziellen Einsatzfall noch weitaus gravierender. Durch mangelndes Training können Situationen entstehen, in denen sowohl die eigenen Leute als auch unbeteiligte Dritte (Geiseln) unnötig in Lebensgefahr geraten, vom Täter ganz zu schweigen. 13
    Daran denke ich natürlich jetzt nicht, während ich durch das Zielfernrohr blicke und die noch in der äußersten rechten Ecke des Schießstandes stehende Schießscheibe ins Visier nehme. Bei der Scheibe handelt es sich um die Umrisslinie eines menschlichen Oberkörpers mit Kopf. Das Ziel für die Übung ist, die in Bewegung befindliche Scheibe möglichst in den Kopfbereich zu treffen. Laut Vorgabe von Piet ist der Beginn der Bewegung des Karrens mit der Zielscheibe gleichzeitig das Kommando

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