SEK – ein Insiderbericht
Geräusch gehört. Unheimlich. Ich sehe, wie Kuno die Klinke der Tür behutsam nach unten drückt, die Tür öffnet und dann mit Ossi in dem Raum verschwindet. Kurz darauf höre ich Ossis Stimme flüsternd über Funk: »Wir sind im Schlafzimmer, hier liegen zwei Personen, ein Mann und eine Frau, tot im Ehebett. Wie’s aussieht, im Schlaf erschossen. Sonst ist der Raum klar.«
»Verstanden«, bestätige ich die Durchsage. Damit ist die telefonische Meldung des Täters, er habe auf seine Familienangehörigen geschossen, traurige Gewissheit geworden. Seine Frau und ihr Liebhaber sind tot, jetzt fehlt noch der sechzehnjährige Sohn – und natürlich der Täter selbst. Erschießt ein Vater aus Eifersucht tatsächlich auch seinen eigenen Sohn? Und das vor den Augen seiner kleinen Tochter? Wie schon häufiger in meiner langen Zeit beim SEK stehen wir wieder einmal fassungslos vor einem Geschehen, das man mit normalem Verstand nicht begreifen kann. Doch jetzt haben wir keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der Verursacher dieser Tragödie muss sich noch immer irgendwo hier im Haus aufhalten, und unsere Aufgabe ist es, ihn zu stellen.
In diesem Moment meldet sich der Funksprecher von Tonys Befehlsstelle: »Seid ihr sicher, dass die beiden Personen tot sind, oder können wir euch einen Notarzt schicken?«
Bevor ich etwas antworten kann, spricht Ossi über Funk die Befehlsstelle an: »Beide Personen sicher ex, Kuno ist Sani und kann das beurteilen.«
Ich beeile mich zu ergänzen: »Hier Peter. Lage im Haus nach wie vor unklar, Täter noch nicht aufgefunden, hier kommt vorerst niemand rein!«
Die Befehlsstelle quittiert meine Durchsage mit einem »Verstanden« und hält dann Funkstille, wofür ich auch sehr dankbar bin, denn ich habe jetzt anderes zu tun. Hinter der ausgezogenen Leiter befindet sich am Ende des Ganges eine weitere Zimmertür, an der einige Aufkleber kleben. Dies könnte die Zimmertür eines Jugendlichen sein. Bevor ich jedoch weiter in diese Richtung denken kann, taucht der Kopf von Kuno wieder im Türrahmen der Schlafzimmertür auf. Aus dem Schlafzimmer ertönt ein leises, aber in der Stille des Hauses vernehmliches Geräusch, wahrscheinlich weil Ossi mit dem Fuß irgendwo angestoßen ist.
Und plötzlich hören wir eine Stimme: »Haut ab, verschwindet aus meinem Haus …«
Kuno deutet sofort mit dem Finger nach oben, in Richtung der geöffneten Dachbodenluke. Dort oben muss unsere Zielperson sein. Ich gebe ihm ein Zeichen, dass er den Mann auf dem Dachboden ansprechen soll. Möglicherweise können wir ihn ja doch dazu bewegen, herunterzukommen und aufzugeben.
Kuno beginnt sofort mit seiner Ansprache, ohne die Dachbodenluke aus den Augen zu lassen: »Herr Meier, hier spricht die Polizei! Das Gebäude ist umstellt, Sie haben keine Chance, hier wegzukommen. Werfen Sie Ihre Waffe weg und zeigen Sie sich so an der Luke, dass ich Sie sehen kann.«
Währenddessen informiere ich über Funk die anderen Kräfte: »Hier Peter. Kontakt! Zielperson auf dem Dachboden, hat uns gerade angesprochen. Wir versuchen, ihn zur Aufgabe zu bewegen.«
Kuno bekommt keine Antwort. Er versucht es immer wieder, aber der kurze Zuruf des Täters bleibt während des ganzen Einsatzes die einzige Äußerung, die wir zu hören kriegen. Nach einer geraumen Weile wird mir klar, dass wir so nicht weiterkommen und uns etwas anderes überlegen müssen, wie wir des Täters auf dem Dachboden habhaft werden.
Da wir nicht wissen, wo genau sich der Mann dort oben aufhält, und wir wegen der geöffneten Speicherluke die hinteren Räume nicht ungefährdet erreichen können, wende ich mich an Lothar und Dieter, die immer noch im Wohnzimmer auf einen Auftrag warten. Meine Absicht ist es, zunächst das gesamte Erdgeschoss unter Kontrolle zu nehmen, bevor wir uns dem Speicher zuwenden. Daher rufe ich: »Lothar, geh mit Dieter außen rum und versuch mal, einen Blick durch das Fenster in den hinteren linken Raum zu werfen.«
Lothar hält kurz den Daumen in die Höhe, zum Zeichen, dass er verstanden hat, und die beiden verschwinden durch die Terrassentür in den Garten. Dann meldet sich Lothar über Funk: »Wir sind am Fenster und können in den Raum hineingucken. Wir sehen eine Person auf dem Bett liegen, vermutlich ist das der Junge. Wir schlagen jetzt die Scheibe ein und gehen rein.«
Unmittelbar danach höre ich das Zersplittern einer Fensterscheibe, als meine Kollegen diese mit einem Brecheisen großflächig einschlagen. Kuno, der am
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