SEK – ein Insiderbericht
Um noch einen besseren Blick- und Schusswinkel zu haben, lässt er sich dann auf ein Knie herab. Als Kuno in Position ist, schleiche ich leise unter die Luke und beginne langsam, meinen Spiegel nach oben zu heben. Ich rechne förmlich damit, dass ein Schuss erklingt und mir der Spiegel aus der Hand gerissen wird, aber nichts dergleichen passiert, es bleibt still. Ich versuche, mir mit dem kleinen Spiegel und seinem ja nur minimalen Bildausschnitt einen Überblick über den Speicher zu verschaffen. Zunächst stelle ich fest, dass sich der Täter auf jeden Fall nicht in der Nähe der Luke aufhält, also keine unmittelbare Gefahr droht. Mit meiner linken Hand drücke ich auf den Sprechknopf meines Funkgeräts, um meine Kollegen, die ja nichts sehen können, zu informieren: »Hier Peter. Ich spiegele gerade den Dachboden aus, soweit es möglich ist. Täter bisher nicht erkannt, Dachboden ziemlich dämmrig, in die Ecken ist sehr schwer reinzublicken.«
Und so drehe ich den Spiegel in jede mögliche Richtung und verrenke mir die Hände, um doch noch irgendetwas zu sehen. Obwohl ich mich kaum bewege, fange ich an zu schwitzen. Schließlich glaube ich, an der einen Kopfseite des Dachbodens so etwas wie eine Nische erkennen zu können, eine nicht direkt einsehbare Ecke. Diese Nische scheint es auf der anderen Stirnseite nicht zu geben, aber sicher bin ich mir absolut nicht. Ich winke Dieter heran, der immer noch an der Ecke zum Wohnzimmer hockt und meine Versuche mit dem Spiegel aufmerksam verfolgt. Als er neben mir steht, gebe ich ihm den Spiegel und erläutere ihm flüsternd, was ich zu sehen geglaubt habe. Ich möchte, dass er ebenfalls einen Blick riskiert, nur um auszuschließen, dass ich schon unter Halluzinationen leide. Vorsichtig hebt Dieter den Spiegel wieder über den Rand der Dachbodenluke und beginnt ebenfalls mit komisch anmutenden Verrenkungen, um etwas erkennen zu können. Schließlich holt er den Spiegel wieder ein und flüstert mir zu: »Ich glaube, du hast recht, auf der rechten Seite des Dachs scheint es noch mal um die Ecke zu gehen, das ist definitiv auf der linken Seite nicht der Fall.«
Ich nicke ihm zu, und so etwas wie ein Plan reift jetzt in mir.
»Ok«, sage ich zu Dieter, »nach unserer beider Beobachtung ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich der Typ in der Nische auf der rechten Seite des Daches aufhält. Ich möchte, dass du einen Schild in die Richtung aufstellst, in der er sich vermutlich nicht aufhält – und zwar so, dass du möglichst deine Rübe nicht durch die Luke steckst. Der Schild dient dir dann einfach nur als Rückendeckung, während du mit Blick auf die ›gefährliche‹ Seite nach oben gehst. Kurz vorher werfen wir ’ne Ablenkung. Den Schild kann der zweite Mann hinter dir so lange festhalten, bis du oben bist und er nachrücken kann, was meinst du?«
Dieter tut schon sehr lange in meinem Kommando Dienst, wir kennen uns dementsprechend gut und sind natürlich auch befreundet. Er ist einer jener Kollegen, die mit Autoritäten mitunter ihre Schwierigkeiten haben, aber da es mir ja ganz ähnlich geht, verstehen wir uns bestens, und ich weiß, dass Dieter mir gerade auch in dieser Hinsicht voll vertraut. Jetzt nickt er nur zustimmend und sagt: »Sehe ich genauso, lass uns da hochgehen.« Damit ist die Sache beschlossen.
Trotz aller unserer Vorkehrungen ist der Moment des Hochkletterns für Dieter alles andere als ungefährlich. Alles wird davon abhängen, ob sich der Täter tatsächlich, wie von uns vermutet, in der Nische des Dachbodens aufhält und ob er sich durch die von uns geworfene Ablenkung so weit verwirren lässt, bis Dieter und Kuno, der die Rolle des zweiten Mannes einnehmen wird, auf dem Dachboden Fuß gefasst haben. Aber dort oben hockt ein Täter, der drei Menschen erschossen hat, und wir sind schließlich dazu da, dass er nicht noch mehr Schaden anrichten kann.
Ich entferne mich ein Stück von der Dachbodenluke, um die Befehlsstelle über Funk zu informieren, dass wir gleich unter Einsatz eines Ablenkkörpers auf den Dachboden vordringen werden.
Dieter steht zusammengekauert so auf der wackeligen Leiter, dass sich sein Kopf gerade noch unterhalb der Einstiegsluke befindet. In seiner linken Hand hält er den klobig anmutenden ballistischen Schutzschild und in seiner rechten seine SIG Sauer P226, die mit einer Surefire-Taschenlampe am Magazinboden ausgestattet ist. Auf der untersten Sprosse der Leiter steht Kuno, bereit, den Schild festzuhalten, wenn
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