Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
Vom Netzwerk:
Rettungsdienst absolviert. Zufälle gibt’s …
    Auch wir packen danach unsere Sachen zusammen und verabschieden uns von Tony und den Kollegen aus K.
    Nachdem wir zurückgekehrt sind, schlage ich Dieter noch einmal schweigend auf die Schulter und spreche ihm anschließend für seinen Mut meine Anerkennung aus. Dieter zuckt nur mit den Schultern und rollt sich eine seiner selbstgedrehten Zigaretten.
    Obwohl alles für uns gut ausgegangen ist, empfindet niemand so etwas wie Freude oder Genugtuung über einen gelungenen Einsatz. Es herrscht eher Fassungslosigkeit über die uns immer wieder vor Augen geführte Allgegenwärtigkeit und Banalität des Bösen. Eine Familie wurde ausgelöscht, ein kleines Mädchen hat überlebt. Wo ist der Sinn?

AMOK
»Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.«
Aldous Huxley
                                                                       Ungläubig starre ich auf die vor mir ablaufenden Fernsehnachrichten. Es ist der 20. April 1999, der Tag, an dem zwei Jugendliche an der Columbine Highschool im US-Bundesstaat Colorado ein Massaker anrichten. Dort erschießen sie einen Lehrer und zwölf Mitschüler und verletzen 24 weitere zum Teil schwer. Ich sehe auf dem Bildschirm die hilflos anmutenden Bemühungen der SWAT-Beamten, die Verletzten und Toten zu bergen. Obwohl es sich nur um Fernsehbilder handelt, die aus einiger Entfernung aufgenommen werden, erkenne ich das totale Chaos, das da herrscht, und unwillkürlich frage ich mich: Wie würden wir – das heißt zunächst natürlich meine Einheit, aber auch die Polizei allgemein – mit einer solchen Lage fertigwerden? Könnten wir eine solche Extremsituation professionell bewältigen?
    Je länger ich darüber nachdenke, umso sicherer bin ich mir, dass wir das nicht könnten. In Deutschland hat es eine vergleichbare Situation in einer Schule und auch sonst bisher noch nicht gegeben. 18 Aber wenn so etwas bislang noch nicht passiert ist, bedeutet das ja keineswegs, dass es nicht in Zukunft doch passieren könnte. Als Beamte einer Spezialeinheit ist es einfach unser Job, ja unsere besondere Verpflichtung, uns mit Bedrohungsszenarien zu befassen, die möglicherweise noch auf uns zukommen. Vor ein paar Jahren, bis zur Geiselnahme in H., hatte sich schließlich auch noch niemand darauf eingestellt, dass gewöhnliche Straftäter damit drohen, mit Handgranaten um sich zu werfen.
    Wir haben dann aber sehr schnell einiges dafür getan, um unsere völlige Ahnungslosigkeit, wie am besten auf Amokläufe reagiert werden kann, zu überwinden.
    Als ich am nächsten Tag meinen Dienst beginne, ist der Amoklauf von Columbine natürlich allseits das Thema Nummer eins. Bereits an diesem Tage absolvieren wir in einem leerstehenden Polizeigebäude ein erstes Training, das auf die Bewältigung einer solchen Amoklage abgestellt ist. Wir stellen fest, dass unser bisheriges taktisches Vorgehen nicht ausreicht, um mit so einer Situation fertigzuwerden. Und mehr noch: Die Berücksichtigung einer derartigen Amoklage bedingt eine komplette Umstellung der Einsatzbewältigung für die gesamte Polizei.
    Der Grund hierfür liegt in der gegenüber allen anderen Straftätern völlig anderen Vorgehensweise eines Amokläufers. Ein Amoklauf ist dadurch charakterisiert, dass der Täter scheinbar wahllos auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen »einwirkt«, also auf sie schießt oder sie anderweitig aktiv attackiert – und zwar so lange, wie es ihm materiell, personell oder situativ möglich ist. Die Polizei kann lediglich auf die personellen und situativen Gegebenheiten Einfluss nehmen, nicht aber auf die materiellen. Im Klartext: Sie muss zum Zeitpunkt der Tat die Bewaffnung des Täters als gegeben hinnehmen, aber sie kann versuchen und sollte alles dafür tun, ihn von seinen potenziellen Opfern fernzuhalten, seinen Handlungsbereich einzuschränken und seine Aufmerksamkeit auf die eigenen Kräfte umzulenken. Ein Fernhalten des Täters von den potenziellen Opfern setzt aber beispielsweise eine gezielte Verhaltensschulung von Lehrern und Schülern mit dem Ziel voraus, nach Auslösung eines Amokalarms durch entsprechend antrainiertes Verhalten dem Täter die Möglichkeit zu nehmen, in den ihm zugänglichen Bereichen des Gebäudes überhaupt noch potenzielle Opfer anzutreffen. Die besten Möglichkeiten einer Einflussnahme auf das Verhalten des Täters bieten sich für die Polizei

Weitere Kostenlose Bücher