SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz

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und der Einsatz und alles, was damit zusammenhängt, auf der »Arbeitsebene« analysiert. Wir alle sind aber der Überzeugung, dass der schnelle und massive Polizeieinsatz sowie der glückliche Umstand, dass sich eine SEK-Einheit zufällig zur Absolvierung einer Übung in der Nähe der Schule aufhielt und daher sehr zeitnah dort eingetroffen ist, dazu geführt hat, dass der Täter sich unter diesem Druck selbst erschossen hat und somit Schlimmeres verhütet worden ist.
    Mittlerweile sind auch Lothar und die anderen Kräfte meiner Einheit eingetroffen, die mit dem Auto anfahren mussten. Diese Kollegen werden allerdings im Inneren des Gebäudes schon nicht mehr gebraucht. Langsam lichtet sich das Chaos ein wenig, es dauert aber noch eine ganze Weile, bis die Befehlsstelle sich dazu entschließen kann, uns zu entlassen und uns eine gute Heimkehr zu wünschen.
    Mit dem Sprinter der Malerfirma verlassen wir schließlich den Ort des Geschehens wieder, und unser Streifendienstkollege, der die ganze Zeit auf uns gewartet hat, fährt uns zurück zum Hubschrauber, der nach wie vor auf der Wiese steht, wo wir vor nun doch etlichen Stunden gelandet waren. Wie immer in solchen Situationen sind wir total erstaunt über die vergangene Zeit, die uns natürlich während des Einsatzgeschehens viel kürzer vorkam.
    Als wir schließlich wieder im Hubschrauber sitzen und darauf warten, dass die Besatzung die Triebwerke anlässt, meldet sich der Pilot plötzlich über Bordfunk: »Wir haben ein kleines Problem mit der Maschine und können so nicht starten …«
    Wir schauen uns ziemlich genervt an und denken vermutlich alle das Gleiche: Nein, nicht das auch noch …
    »Es sei denn«, ergänzt der Pilot weiter, »einer von euch hat einen Leatherman dabei.«
    Jetzt kippt unser Gemütszustand vollends ins Fassungslose. Das kann doch wohl nur ein Scherz sein …
    Nichtsdestotrotz nestelt Michael das von dem Piloten gewünschte Werkzeug aus einer Beintasche an seinem Oberschenkel und reicht es ihm nach vorn ins Cockpit. Vier Augenpaare im Passagierraum blicken jetzt ungläubig auf den Piloten, der offenbar doch nicht gescherzt hat. Mit dem geöffneten Leatherman in der Hand fummelt er ein wenig in der am Dach des Cockpits befindlichen Konsole herum. Unwillkürlich fühle ich mich an die Reparaturarbeiten in russischen Raumstationen erinnert, die ich mir mitunter genauso rustikal vorstelle. Allein, der Pilot ist kein Russe, und wir befinden uns nicht in einer russischen Raumstation, sondern in einem deutschen Polizeihubschrauber …
    »So«, konstatiert der Pilot zufrieden grinsend, »jetzt müsste es hinhauen.«
    Spricht’s, klappt den Leatherman zusammen und übergibt diesen an den ebenso ungläubig wie wir dreinschauenden Michael.
    Danach die übliche Prozedur mit seinem Copiloten – und tatsächlich: Die Triebwerke laufen an, und kurz darauf fliegen wir zurück, unserer Dienststelle entgegen. Auf diesem Flug jedenfalls hören alle ganz besonders genau hin, ob sie vielleicht Geräusche wahrnehmen, die nicht zu einem Hubschraubertriebwerk passen …
    So endet unser erster Einsatz bei einem Amoklauf, ziemlich genau sieben Jahre nach den Ereignissen an der Highschool in Columbine. Nun gehören auch wir zu der immer größer werdenden Anzahl von Einheiten, die eine Erfahrung machen müssen, auf die alle Beteiligten lieber verzichten würden.
    Es sollte nicht das letzte Mal sein.
    * * *
    Der 18-jährige Täter, ein ehemaliger Schüler dieser Schule, betrat am Tattag mit einer Pistole und zwei Gewehren, darunter einem Kleinkalibergewehr, maskiert und in schwarzer Kleidung die Schule. An seinem Körper führte er drei selbstgebastelte Rohrbomben und ein Messer mit. In einem ebenfalls mitgeführten Rucksack wurden weitere fünf Rohrbomben gefunden. Nach Betreten der Schule schoss er nach Zeugenaussagen wahllos um sich und verletzte insgesamt sechs Personen durch Schüsse zum Teil schwer. Nach Zünden mehrerer Rauchkörper, die den Einsatzkräften das Vordringen durch das Treppenhaus erschwerten und die Behandlung von insgesamt 32 Personen wegen Atembehinderung und Rauchvergiftung notwendig machten, wurde der Täter durch die vordringenden Polizeikräfte vermutlich so unter Druck gesetzt, dass er sich selbst erschoss. Die Zündung der mitgeführten Rohrbomben wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch verhindert.

DIE MORAL, DIE GESETZE, DIE POLITIK UND DIE ALLGEGENWART DES TODES
»Ich habe hier bloß ein Amt und keine Meinung.«
Friedrich