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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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Schiller
                                                                       Für jeden SEK-Beamten ist der Tod im Unterbewusstsein ein ständiger Begleiter. Der Anblick von getöteten oder schwerstverletzten Menschen – seien es nun Unbeteiligte, der Täter oder gar auch die eigenen Kollegen – gehört oft genug zu unseren Einsätzen. Und jeder dieser Einsätze kann die Gefahr mit sich bringen, auch das eigene Leben aufs Spiel setzen zu müssen.
    Wie hält man das aus?
    Einsatzkräfte brauchen ein hohes Maß an psychischer Stabilität, um ihren Einsatzauftrag trotz der vielen schrecklichen Bilder, mit denen sie konfrontiert sind, ausführen zu können. Seit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hat sich auch in der Öffentlichkeit der Begriff »posttraumatische Belastungsstörung« (PTBS) herumgesprochen. Immer häufiger kehren von dort Bundeswehrsoldaten zurück, die in Gefechte verwickelt waren und davon psychische Schäden davongetragen haben, die einer intensiven psychologischen Betreuung bedürfen und, nur nebenbei erwähnt, die Einsatzfähigkeit des Betroffenen stark einschränken oder gar unmöglich machen. Bei Spezialeinheiten ist diese Problematik schon länger bekannt, da die solche stressbedingten Belastungsstörungen auslösenden Einsatzlagen, gerade bei SEK-Einsätzen, verhältnismäßig häufig auftreten. Als Beispiel seien hier zunächst die eher spektakulären Amokläufe in der jüngeren Vergangenheit genannt, bei denen die Einsatzkräfte häufig auf tote Kinder oder Jugendliche treffen.
    Es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit man Einsatzkräfte auf solche Szenarien vorbereiten kann. Und damit meine ich nicht nur SEK-Beamte, sondern auch die Angehörigen anderer Institutionen wie die der Feuerwehr, der Rettungsdienste und natürlich auch der Bundeswehr. Wie kann eine solche Vorbereitung aussehen, um so die Beteiligten möglichst davor zu bewahren, dass sie im Nachhinein psychische Schäden davontragen, die dann durch eine meist langwierige psychologische Arbeit mühevoll »repariert« werden müssen?
    Meine Antwort: durch eine möglichst realistische Ausbildung, in deren Rahmen wahrscheinliche oder auch unwahrscheinliche »Bilder« von Einsatzszenarien so wirklichkeitsnah dargestellt werden, dass später das Gehirn eines derart Geschulten keinen Unterschied zwischen einem tatsächlichen Einsatz und einer Übung mehr macht. Ich selber habe die Erfahrung gemacht, dass wir beim Training neuer Einsatztaktiken nach kurzer Zeit derart in unserer selbstgestellten Aufgabe aufgingen, dass wir völlig vergaßen, es nur mit einer »Übung« zu tun gehabt zu haben.
    Das ist eine Art von »Konditionierung«, durch die erreicht werden kann, dass die Einsatzkräfte die in den Übungen abgearbeiteten Szenarien für weitaus komplexer und schwieriger halten als die tatsächlichen Einsatzlagen. Der alte Spruch der legendären britischen Spezialeinheit Special Air Service (SAS) »train hard – fight easy« bekommt hier eine gleichsam wissenschaftliche Bestätigung.
    In meiner Einheit wurde dieses Prinzip, dank unseres Ausbildungsleiters und meines Freundes Piet, schon lange vor der wissenschaftlichen Bestätigung praktiziert. Mit dem Erfolg, dass bis zum heutigen Tage noch nie ein unmittelbarer Kollege von mir wegen der Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung behandelt werden musste.
    Es geht aber nicht nur um den Tod, den man gegebenenfalls unter schrecklichen Umständen miterlebt, es geht auch nicht nur um den Tod, dem man sich möglicherweise selber aussetzt – es geht auch um den Tod, den man im schlimmsten aller Fälle selber verursacht. Auch diese belastende Möglichkeit gehört zum Berufsalltag eines SEK-Beamten. Das muss jeder einzelne Kollege zunächst und zuallererst mit sich selbst ausmachen und ins Reine bringen. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verarbeitungsmuster eines Polizisten oder Soldaten im Gefecht auch von dem eines Rettungssanitäters oder Feuerwehrmannes, von denen »aktive« Tötungshandlungen selbstverständlich nicht verlangt werden.
    Ein Präzisionsschütze beispielsweise, der einen Geiselnehmer mittels eines »finalen Rettungsschusses« außer Gefecht setzt, muss mit der Tatsache leben, dass er einen Menschen tötet, der ihn selbst persönlich zumeist gar nicht bedroht hat. Dieser Umstand mag für Außenstehende zunächst nicht wirklich von Belang sein, schließlich bedroht der Geiselnehmer,

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