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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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gemacht haben, was fragen Sie dann noch?«
    Ihr apartes Gesicht mit dem Ausdruck jungenhafter Frechheit verzog sich zu einem Lächeln. »In der Hoffnung, Sie bei einer Unwahrheit zu ertappen«, meinte sie mit einem Schulterzucken. »Das ist mein Job. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich suche nach schmutzigen Hintertreppengeschichten.« Herausforderung blitzte in ihren blaßblauen Augen auf. »Mein Verleger nennt das menschliches Interesse, und je schlüpfriger die Enthüllungen, desto besser.«
    Clay rang sich zu einem Lächeln durch, das nicht ganz gelang. Er fand die Frau überhaupt nicht amüsant. Im Gegenteil, sie war unausstehlich. »Was ist daran geheim, daß ich einmal für Andrew Cameron gearbeitet habe?«
    »Nichts. Nicht, daß ich wüsste. Bisher.«
    »Miß Wessell …«
    »Ja, Mr. Chalmers?«
    Am liebsten wäre er ausfallend geworden, aber er sagte mit süßlicher Höflichkeit: »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    Mit elastischen, kräftigen Schritten machte er sich davon. Was konnte dieses Frauenzimmer wissen oder ahnen? Was hatte sie an Tratsch gehört?
    »Ich melde mich wieder«, rief sie ihm nach.
    In dem Augenblick faßte er einen Entschluß. Er war jetzt so weit gegangen er konnte dem Unausweichlichen nicht mehr entgehen. Also brachte er es am besten hinter sich, jetzt oder nie. Sieben Jahre hatte er gewartet. Er betrachtete die Tafel, auf der die Einteilung der Boxen stand, und änderte die Richtung seiner Schritte. Plötzlich war es ihm eilig, drückte ihm auf den Magen, während seine Knie weich wurden.
    Es hatte in jener Nacht in Virginia geschneit, und Andrew Camerons sonst beherrschtes Gesicht war verkniffen und weiß gewesen, in dem fahlen Licht aus der Futterkammer, kalt, zornig. Sie haben ihn auf dem Gewissen. Sie haben das Pferd genauso umgebracht, als hätten Sie es eigenhändig erschossen. Ist Ihnen überhaupt klar, was Sie angerichtet haben, Chalmers? Oder sind Sie auch dazu zu besoffen?
    Ja, betrunken war er gewesen. Er konnte sich nicht erinnern. Selbst jetzt, nach sieben Jahren, rätselte er noch an den Ereignissen herum. Es lag seiner Natur fern, in nüchternem Zustand ein Pferd zu verletzen. Den preisgekrönten Zuchthengst Lord Randolph mitten in der eisigen Nacht aus dem Stall zu lassen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß er selbst im Zustand der Volltrunkenheit die Box geöffnet haben sollte. Worauf der Hengst ins Freie rannte und sich beide Sprungbeine brach, als er im Dunkeln über den Koppelzaun springen wollte – und erschossen werden mußte.
    Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, Junge. Bei Gestüten und Rennen kriegen Sie kein Bein mehr auf die Erde. Sie sind erledigt.
    Die Stallung mit den Derby-Startern lag vor ihm, und wie erwartet drängten sich die Menschen davor: Presseleute, Besitzer, Personal und Neugierige. An beiden Enden der Stallgasse saßen die uniformierten Pinkerton-Wächter, schichtweise Tag und Nacht.
    Clay blieb stehen. Um diese Tageszeit war sie bestimmt nicht bei den Pferden. Und ihr Vater auch nicht. Aber Jason Arnold, der Trainer, war vielleicht anzutreffen. Zwischen ihnen bestand kein böses Blut, im Gegenteil, er schätzte den älteren Mann, von dem er während seiner Zeit als Hilfstrainer auf Blue Ridge ungeheuer viel gelernt hatte.
    Doch wie stand es zwischen ihm und Kimberley? Leider anders, denn sie hatte damals nicht den Mumm gehabt, mit ihm wegzugehen. Du verlangst zuviel, Clay. Du verlangst immer zuviel.
    Sein Zorn richtete sich doch eigentlich gegen ihren Vater, oder? Keine Box frei, Chalmers, leider … Alle Stellen besetzt, Mr. Chalmers … Arbeit als Trainer, Mr. Chalmers? Nein, da muß Sie jemand falsch unterrichtet haben. In unserem Gestüt ist keine Vakanz. Höflich waren sie alle gewesen, man konnte den Daumen nicht drauflegen, es ging so zivilisiert zu; keine Vorwürfe, keine Anhörung, kein Entzug der Trainerlizenz, kein Hinweis auf einen Skandal. Nur die Verschwörung des Schweigens, der Ablehnung. Also hatte er es schließlich aufgegeben und war den Rennställen der Ostküste ferngeblieben. Es gab andere, im Westen, Beulah Park in Ohio, Tropical Park in Florida, vielleicht nicht so erstklassig und feudal, aber bis dahin reichte Andrew Camerons Arm nicht.
    Und jetzt war er hier. Er hatte es trotz Andrew Camerons Boykottmaßnahmen geschafft. Und er besaß einen Renner mit Steherqualitäten. Hotspur konnte in dieser Saison als Dreijähriger laufen. Und deshalb setzte Clay Chalmers alles auf eine Karte, weil so eine Chance,

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