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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Gesicht fing zu strahlen an, und er riß sich die Kappe vom Kopf. Mit einem freundschaftlichen Puff sagte er: »So gefällst du mir schon besser. Ich werde dich an dein Versprechen erinnern.«
    Damit watschelte er fort, gefolgt von Zach, der ihm mit einer Hand zuwinkte, die gleiche Geste wie immer, wenn er mit der Peitsche im Mund im leichten Sitz an der Tribüne vorbeikam, nachdem er als Sieger durchs Ziel gegangen war. Die beiden Gestalten, die eine klein und rund, die andere klein und dürr, verschwanden um die Stallecke. Clay schaute den Freunden nach. Bernie hatte regelrecht sich aus dem Rennsattel gefressen, obgleich er mit Leib und Seele Jockey war. Zach hingegen steckte sich nach jedem Essen den Finger in den Hals, um sein Gewicht zu halten. Ihr Leben waren die Pferde. Doch wie mochte es in ihrem Inneren aussehen? Leckten auch sie ihre Wunden?
    Während er sich wieder Hotspur zuwandte, fiel ihm etwas ein, was sein Vater Toby einmal in nachdenklicher Stimmung zu ihm gesagt hatte. Du bist wie deine Mutter. Du hast Mitleid mit den anderen Menschen, als ob du nicht genug mit dir selbst zu tun hättest. Der gute alte Toby, er hatte seine guten Seiten. Clay dachte nicht gern an die Vergangenheit zurück, denn die Erinnerungen waren verwirrend und bedrückend.
    Ein Sportflugzeug dröhnte über den Platz. Hotspur schien es mit Interesse zu verfolgen. Ein Spatz tschirpte am Boden, eine Taube flatterte vorbei. Von einem anderen Stall drangen Musikklänge herüber. Nur der Mistwagen störte ihn und das Heulen des Martinshorns, wenn eine Ambulanz vorüberfuhr. Hotspur war neugierig.
    »Du schwarzer Teufel«, sagte Clay zärtlich, als er in die Box ging und die Tür offenließ, »weshalb stört dich eine trockene Bahn? Was hast du denn von dem Matsch, was gefällt dir daran?« Er ließ die Hand über den Rücken gleiten. Mit seinem Stockmaß von 152 cm wirkte er wie ein kompaktes Kraftbündel. Zutraulich spielten die Ohren, und das Pferd stupste Clay an. Der kniete sich hin und betastete das Vorderbein. Es war nicht mehr heiß. Wenn Hotspur ihn – und Bernie, Elijah und Zach ebenso – nur diese Woche nicht sitzenließ. Wenn …
    Eine schemenhafte Bewegung an der Stalltür veranlaßte ihn aufzublicken.
    Ihm wurde übel und schwach. Aber wie schon so oft bei solchen Gelegenheiten erkannte er erst nach einer Schrecksekunde, daß die Frau da nicht Kimberley war.
    »Angeblich ist es für ein Rennpferd ein schlechtes Vorzeichen, wenn es schwarz ist«, sagte sie mit einer kehligen Stimme, in der Belustigung mitschwang. »Noch dazu mit weißen Fesseln.«
    »Auf der Rennbahn ist Aberglaube weit verbreitet«, wehrte er bissiger als beabsichtigt ab. »Und nicht nur auf der Rennbahn. Bisher haben vier Rappen das Derby gewonnen.«
    »In hundert Jahren.« Sie trat beiseite, als er aus der Box kam. »Reden Sie wirklich mit Pferden?«
    »Meistens höre ich zu.«
    Er verschloss die Untertür der Box und wandte sich zum Gehen. Die Frau blieb neben ihm, und ihr Lachen klirrte. Sie trug einen engen Rock und einen noch engeren Pullover, an dem der Presseausweis befestigt war. Ihr honigfarbenes Haar war jungenhaft kurz geschnitten. »Ich bin Janice Wessell. Sie müssen Mr. Clayton Chalmers sein.«
    »Was kann ich für Sie tun, Miß Wessell?«
    »Eine Menge, könnte ich mir denken. Zu gegebener Zeit und in einer anderen Umgebung. Ich arbeite für die Zeitschrift ›Leute‹ und das Magazin ›Wahre Begebenheiten‹. Kurz gesagt, ich schnüffle.«
    Clay marschierte nun zwischen Stallungen und Scheunen entlang, und sie hielt Schritt. Anstatt einer Antwort zuckte er lediglich mit den Achseln.
    »Owens Chalmers, der Fireaway trainiert – ist er mit Ihnen verwandt?«
    »Mein Bruder.«
    »Sie sind nicht gerade entgegenkommend.«
    »Hab' zu tun«, antwortete er und beschleunigte die Schritte. Eine glatte Lüge. Warum ließ er sich von dieser Frau so nervös machen? Weil sie seine Worte im Stall belauscht hatte? Oder weil ihr Auftreten ihm wieder Magendrücken verursacht hatte, als Vorgeschmack auf die Begegnung mit Kimberley? »Sonst noch Fragen, Miß Wessell?«
    »Ist es wahr, daß Sie früher einmal für das Gestüt Blue Ridge gearbeitet haben?«
    Er blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich zu ihr um. Zwischen ihren profilierten Brüsten steckte ein Schmetterling als Brosche und befestigte einen Draht, der zu ihrer Schultertasche lief. Ein mit einem Tonbandgerät verbundenes Mikrophon, kein Zweifel. »Wenn Sie Ihre Hausaufgaben so brav

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