Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
Vom Netzwerk:
diesem Zustand in keiner Kondition für ein Rennen sein würde. Darauf hatte Molly mit monotoner Stimme erwidert, das ginge sie nichts an. »Ich werde nie mehr reiten und auch nie mehr einem Pferd trauen.«
    Und als Brigid entsetzt eingewendet hatte, daß es doch nicht die Schuld des Pferdes gewesen sei, hatte Molly gesagt: »Ich hasse es.«
    Wie versteinert hatte Brigid auf das Mädchen herniedergeblickt, ratlos, hilflos. Wie konnte sie das Mädchen aus der düsteren Resignation reißen? Sie sparte sich die Bemerkung, daß das Pferd gescheut und sicher das Mädchen nicht einmal erkannt hatte. Doch auch Stunden später hatte sich die lethargische Stimmung des Mädchens nicht verändert, und nichts deutete auf eine Besserung hin.
    Als Brigid zögernd mit Andrew das Krankenhaus verlassen hatte, fragte sie sich, ob die Brandnacht nicht tiefere Wunden in der Seele des Mädchens hinterlassen hatte, die nicht mehr oder nicht so schnell vernarben würden.
    Später im Mercedes war Andrew eine Weile schweigsam durch die grüne Landschaft mit den berühmten Ställen und Gestüten dahingefahren, ehe er mit dem herauskam, was ihn bedrückte: »Diese Rennwelt ist wirklich eine geschlossene Gesellschaft. Das ist mir erst kürzlich klar geworden. Ich weiß nicht, wie es in Europa zugeht, aber hier machen wir unsere eigenen Regeln und setzen sie auch durch. Wir wählen die Vorsitzenden und Sicherheitsbeauftragten aus unseren Rängen, und die meisten verdienen ihren Lebensunterhalt mit Rennen auf die eine oder andere Art. Alle Männer, die uns in der Öffentlichkeit vertreten, haben ihre althergebrachten und eigenen Interessen, die sie verfolgen, die wir alle verfolgen.«
    Lag ihm das auf dem Gemüt – eine Sache, von der sie nichts wußte – und nicht Kimberley mit ihren Schwierigkeiten?
    »Es wurde der Punkt erreicht, wo die Leute alles riskieren, um zu gewinnen.«
    Ihr fiel wieder sein Zorn ein nach dem Derby Trail. »Daniel war der Meinung, daß Gewinnen wichtig, aber sekundär ist.«
    »Wirklich? Deinen Daniel hätte ich gern kennen gelernt. Er hätte mir sicher gefallen.«
    Und sie wußte, daß Daniel Andrew Cameron gemocht hätte.
    Jetzt hörte auf Deck der ›Belle of Louisville‹ das Banjospiel auf, und statt dessen spielte eine Drehorgel, gerade die richtige Hintergrundmusik für einen so festlichen Nachmittag. Und Andrew kam mit Getränken an: frisch gepresster Limonade. Wie aufmerksam von ihm; er schien immer wieder ihre Wünsche zu erraten.
    »Sie spielen jetzt ›Sweet Georgie Brown.«
    Er setzte sich mit übergeschlagenen Beinen neben sie. Auch er trug heute Weiß mit einer schwarzen Krawatte, und sie war sich seiner Nähe angenehm bewußt. Anscheinend steckte ihn die fröhliche Stimmung an.
    »Brigid, ich habe nachgedacht. Für welches Rennen ist Irish Thrall nächsten Monat gemeldet? Das irische St. Leger?«
    »Nein, das findet erst im September statt. Das irische Sweeps Derby in Curragh und das Ascot Gold Cup eine Woche später.«
    »Ich habe mich entschlossen«, sagte er. »Ich komme rüber. Und mache noch beim englischen Derby mit.«
    Sie wußte nicht recht, was sie sagen sollte. Seine grauen Augen waren erwartungsvoll auf sie gerichtet.
    »Ich habe dich doch eingeladen, Andrew.«
    »Ich weiß … aber mir war nicht klar, wie ernst gemeint diese Einladung war.«
    »Sehr ernst gemeint.«
    »Ich könnte bis zum Herbst in Europa bleiben. Ich habe einen viel versprechenden Dreijährigen namens Haie Fellow, der zeigen könnte, was in ihm steckt.«
    Ihre Stimme schwankte ein bißchen. »Außer dem irischen St. Leger und dem St. Leger Stakes in Doncaster in England wäre da noch das wichtigste Rennen, der Prix de l'Arc de Triomphe in Longchamps im Herbst.«
    Dann schauten sie sich in die Augen, ernst, ruhig.
    Vom Bug her tönten Jubelgeschrei und aufgeregte Rufe, und in das Stimmengewirr hinein fragte er: »Dinner in ungefähr einer Stunde?«
    »Wir wollten das Dinner doch auslassen?« Sie schüttelte den Kopf und nahm den Hut ab. »Das Picknick war doch ausreichend, oder nicht?«
    »Hat es dir gereicht?«
    »Ich bringe keinen Bissen mehr herunter.«
    Und als er nichts daraufsagte, meinte sie: »Ich hätte allerdings Lust auf ein Glas Wein. In ungefähr einer Stunde.«
    »Ich auch, mein Liebling.«
    »Dann … werde ich ihn auf mein Zimmer bestellen.«
    »Ich werde kommen.«
    »Anscheinend haben wir das Rennen gewonnen.«
    »Ja, das glaube ich auch.«
    Aber so sicher war sie noch nicht.
    Sie hatte den ganzen Tag

Weitere Kostenlose Bücher