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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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an Owen, aber an den wollte er jetzt nicht denken. Der lodernde Hass auf ihn sollte nicht die friedliche Stimmung verderben.
    »Ich habe dir ein Geschenk gekauft«, rief sie vom Schlafzimmer. »Bitte, sei mir nicht böse, es ist nur eine Kleinigkeit.« Mit weiteren Entschuldigungen, weil sie seinen verbohrten Stolz kannte, fuhr sie fort: »Ich wollte mich doch bei dir bedanken. Für das, was du für Starbright getan hast.«
    Er öffnete die Badezimmertür. Sie zog gerade ein aprikosenfarbenes Kleid über den Körper und bürstete die langen, blonden Haare.
    »Hoffentlich gefällt es dir. Sag es mir, ehe du es anschaust, selbst, wenn es gelogen ist.«
    »Es gefällt mir«, log er, weil ihm die Geschenke von ihr noch immer Unbehagen bereiteten. Außerdem hatte sie sich vor dem Essen für Starbright persönlich bedanken wollen – und wie sie sich bedankt hatte!
    »Es liegt auf dem Sofa.« Aber ehe er noch hingehen konnte, schlug sie einen anderen Ton an: »Wo bist du den ganzen Tag gewesen? Ich war nach dem Dampferrennen bei Starbright, aber du warst nicht bei den Stallungen zu finden.«
    Er nahm das Geschenk hoch und erkannte, was es war. »Ich war im Krankenhaus bei Bernie.« Es war ein Stereogucker, in dem auf Knopfdruck Fotos erschienen und dreidimensional wirkten. Es erinnerte ihn an seine Kinderzeit. »Bernie läßt für die Blumen danken, die du ihm geschickt hast, Kimb.«
    »Geht es ihm besser?« Der vorwurfsvolle Tonfall war wieder verschwunden. »Hat er Schmerzen?«
    »Er ist sauer, daß er nicht arbeiten kann.« Er drehte an dem Knopf und erblickte zwei Eiffeltürme. »Und seine Schulter sieht bös aus.« Ja, und ob er Schmerzen hatte, auch das ging auf Owens Konto. Die zwei Türme vereinten sich zu einem Bild, umgeben von den Dächern von Paris.
    Sie eilte zur Balkontür. »Es ist zum Ersticken hier. Man kriegt hier keine Luft – kannst du hier atmen?« Sie riß die beiden Türflügel auf, legte den Kopf in den Nacken und holte tief Luft. »Ich werde im August dreißig Jahre. Dreißig, Clay. Ist das alt?«
    »Für mich nicht.« Er legte den Gucker beiseite. »Kimb, das Zimmermädchen hat die Fenster sicher geschlossen, weil sonst die Klimaanlage nicht funktioniert.«
    »Sie geht nicht richtig, ich hasse diese Kunstluft. Es ist zum Ersticken, und das Zimmermädchen spinnt.« Sie ging zur Bar. »Willst du auch einen?«
    Langsam sagte er: »Ich warte bis zum Essen.«
    »Ach ja, ich vergaß. Mach nur weiter und bestraf dich, wenn du meinst.« Sie goß sich großzügig Whisky ein und kippte ihn unverdünnt herunter. »Was … was ist nur mit mir los, Clay? Ich habe Angst.«
    Er ging zu ihr und nahm ihr das Glas aus der Hand, das sie widerstandslos hergab. Dann drehte er sie zu sich um. »Beruhige dich, Kimb, ganz ruhig. Nichts wird dir geschehen.« Was ihm gar nicht so sicher schien. »Wenn du Hunger hast, sollten wir jetzt essen gehen.«
    »Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich auseinanderplatze, daß es mich zerreißt. So wie jetzt. Lieber Gott, hilf mir doch …«
    Sie lag schlaff in seinen Armen und flüsterte: »Kümmere dich um mich, bitte, Clay, ich brauche dich.« Dann küßte sie seine Wange, und über den Lippen glitzerten Schweißtröpfchen. »Und wenn wir zurückkommen, mußt du mich nehmen, wie du mich genommen hast. Daß es nichts anderes mehr gibt … oh, Clay, versprich mir, daß du mich ganz auflöst, wenn wir zurückkommen.«
    Gerührt sagte er sanft: »Ich verspreche es.« Und dann fügte er hinzu: »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, weißt du.«
    Sie lächelte ihn an und blinzelte schnell. »Geht es dir auch so? Nichts anderes existiert mehr, das Zimmer nicht und das Rennen nicht, nichts.«
    Er nahm sie bei der Hand, und sie gingen schweigend den Korridor entlang zum Aufzug. Doch als er den Knopf drückte, riß sie ihn zurück.
    »Wir wollen gehen.« Erstaunt schaute er sie an. Und sie sagte scharf: »Du hast richtig gehört. Ich will hinuntergehen.«
    Der Aufzug kam, und die Türen gingen auf. Sie starrte in die leere Zelle. »Ich kann da nicht hinein, ich … ich ersticke sonst.« Es klang wie ein akuter Anfall von Platzangst.
    Stirnrunzelnd gab er zu bedenken: »Es sind aber neunzehn Stockwerke, Kimb.«
    Ihr Tonfall änderte sich wieder. »Aber es geht abwärts, oder?« Wie ein Kind, das sich auf den Jahrmarkt freut, packte sie seine Hand und zog ihn zum Treppenhaus. Er folgte ihr, und nach einem Stockwerk ließ sie seine Hand los und rannte noch schneller mit sicheren

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