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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Schritten nach unten. »Schnell«, sagte sie atemlos, »das ist noch schlimmer.« Ihre Stimme hallte im Treppenhaus wider, und das Klappern ihrer Absätze unterstrich die Worte. Er kam kaum nach, so eilig hatte sie es.
    Als sie außer Atem die Hotelhalle erreichten, ließ sie sich auf eine breite Polstercouch fallen und rang nach Luft. Er setzte sich neben sie. »Schau, Kimb, so eilt es doch nicht. Du kannst doch nicht am Verhungern sein.« Aber er kam sich dümmlich vor, denn es handelte sich eindeutig nicht um Hunger, sondern um Panik.
    »Diese grässlichen nackten Wände«, brachte sie schließlich heraus. »So grau, so hässlich, hast du sie gesehen? Ich … ich habe gedacht, sie kommen auf mich zu.«
    »Immer langsam«, sagte er begütigend und merkte selbst, wie unzureichend diese Worte waren. Tausend Fragen stiegen in ihm auf, bohrend und durcheinander. »Wollen wir den Lieferwagen nehmen oder deinen?«
    Da lächelte sie plötzlich, und ihre Miene hellte sich auf. »Ich möchte lieber laufen.«
    »Ich habe das Trail gewonnen, erinnerst du dich. Ich spendiere uns ein Taxi.«
    Da funkelten ihre Augen, und sie sah wieder düster und unheilvoll aus. »Ich … will … laufen.«
    Nicht verärgert, sondern eher bestürzt zuckte er mit den Achseln. »Na schön, laufen wir, Kind.«
    Wieder eine Veränderung. Sanft sagte sie: »Warum hast du mich so genannt? Das hast du noch nie getan.« Sie erhob sich und lächelte tatsächlich. »Es gefällt mir.«
    Sie setzten sich in Bewegung, schlenderten Hand in Hand dahin. Ihre war seltsam kühl und klammerte sich an seine, aber die merkwürdige Stimmung schien verflogen, was immer sie auch bedeuten mochte. Sie spazierten zwischen Läden und Restaurants in der Fußgängerzone entlang, interessierten sich für alles und nichts, und ihr hysterischer Ausbruch schien vorbei, wie ein Anflug von Derbyfieber.
    »Wo schaust du hin?«
    Die scharfe Frage kam so plötzlich, daß er einen Moment dachte, nicht richtig gehört zu haben. Sie war stehen geblieben und schaute ihn so böse an, daß er nicht wußte, was er sagen sollte.
    »Ich habe es gesehen! Wenn du sie willst, nimm sie dir.«
    »Wen willst? Wovon redest du …«
    »Lüg mich nicht an.« Die Passanten wurden bereits auf sie aufmerksam. »Sonst machst du es nur noch schlimmer. Du hältst mich zum Narren. Lüg nicht.«
    »Kimberley, reiß dich zusammen!«
    »Das sagt Andrew auch immer.«
    »Wovon redest du überhaupt?«
    »Ich habe dich beobachtet. Du kannst sie noch einholen. Los, lauf dem Flittchen nach, wenn du willst.«
    Noch immer verblüfft, fauchte er sie an: »Hör mit dem verdammten Unsinn auf!«
    »Sie ist hübscher als ich. Jünger.« Ihre Augen waren verkniffen und die Lippen verächtlich verzogen. »Wenn du das haben willst – du kannst wohl nicht genug kriegen, oder? Ach, ich kenne diese Blicke!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blinzelte über seine Schulter. »Los, sie ist noch immer da, geh zu ihr, scher dich von mir weg!«
    Er drehte den Kopf um.
    »Hast du sie genau angesehen? Magst du Grün? Ich kann auch Grün tragen.«
    Einige Menschen waren stehen geblieben und verfolgten die Szene mit höflich verdeckter Spannung. Darunter entdeckte er einen Mann in einem dunklen Anzug, der ihm bereits im Hotel aufgefallen war. In einiger Entfernung blitzte ein grünes Kleid auf. Er seufzte und drehte sich zu ihr um.
    Sie war verschwunden.
    Als er die nächste Ecke erreichte, sah er gerade noch ihr aprikosenfarbenes Kleid, als sie in ein Restaurant unter einer bunten Markise eintrat. Er hatte keine andere Wahl als ihr nachzugehen. In ihm kämpften Fassungslosigkeit und Ärger miteinander, und er wußte nicht, ob er das Richtige tat.
    Sie wurde vom Oberkellner zu einem Tisch für zwei Personen geführt und schien ganz gefaßt. Als sie ihn erblickte, winkte sie ihm zu, als seien sie in dem Restaurant zum Abendessen verabredet. Kaum hatte er Platz genommen, machte sie mit leicht ironischem Ton Konversation.
    »Du bist pünktlich. Kaum zu glauben. Hast du deine Frau abschütteln können?« Die falsche Fröhlichkeit klang so übermütig wie sonst auch, und in ihren Augen stand Spott. »Was ist, willst du mich nicht küssen?«
    Wieder kam er sich wie ein Narr vor und war allmählich verärgert. Als er sich zu ihr beugte, um ihr einen Kuß auf die Wange zu geben, bot sie ihm die Lippen und fuhr ihm mit der Zunge spielerisch in den Mund. Dann reichte sie ihm die Hand über den Tisch, damit er sie in seine nehme,

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