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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Pferde. Sondern an einen jungen Ritter in schimmernder Rüstung, vom Vater seiner Angebeteten abgewiesen und gedemütigt, der die Holde im Schutz der Dunkelheit auf seinem Zelter entführt, natürlich, nachdem er mit seinem schwarzen Streitross beim königlichen Turnier die Siegestrophäe errungen hat.«
    »Sie sind besoffen, Wyatt.«
    »Auch.«
    »Sie haben noch nichts von Enis erzählt.«
    »Tu ich nie. Falls man mich nicht fragt.«
    »Ich frage, Wyatt.«
    »Da sind Sie auch die einzige.«
    »Die einzige mit schlechten Manieren und Frechheit.«
    »Sie ist inzwischen ganz hinüber. Kennt mich nicht mal mehr, wenn ich sie besuche. Sitzt nur da mit einem ganz abwesenden, friedlichen Gesichtsausdruck. Ganz in ihre Welt versponnen. Vielleicht findet sie sie sogar schön. Niemand wird es jemals erfahren.«
    »Tut mir leid.«
    »Da bin ich manchmal nicht so sicher. Vielleicht sollte man sie um den Frieden beneiden.«
    Er erkundigte sich nicht nach Rachel und wie sie mit ihrer Einsamkeit fertig wurde. Anscheinend ganz gut. Ihr Mann Eugene war vor vier – oder gar schon fünf? – Jahren gestorben. Sie hatte das Brookfield-Gestüt weitergeführt. Allein. Nein, es waren erst drei Jahre. Ancient Mariner war in dem Jahr auf die Welt gekommen. Manchmal erinnerte sich Wyatt in alkoholbenebeltem Zustand an mehr Einzelheiten als nüchtern.
    Clay verließ den Aufzug im Erdgeschoß wie ein Blinder. Er kochte, sein Blut kochte. Den Schlüssel auf den Tisch werfen, war keine Einladung, sondern ein königlicher Befehl. Eine Unverfrorenheit.
    Er ging durch die untere Hotelhalle in die Tiefgarage. Der Lieferwagen fiel durch seine Größe und Schäbigkeit auf, die er fast genoß, als er auf ihn zumarschierte.
    Seltsam, daß ihn diese aushöhlende Schwäche nun doch nicht befallen hatte, die er sonst immer beim bloßen Gedanken an eine Begegnung mit Kimberley verspürt hatte. Ihre Geste der Geringschätzung hatte sie offensichtlich ausgelöscht. Statt dessen empfand er Zorn. Aber auch Begierde.
    Leidenschaft, gemischt mit Hass und Verbitterung.
    Wenn sie es so wollte, wenn das alles war, was sie wollte … Sie hatte ihre Entscheidung gefällt. Vor sieben Jahren. Wieso glaubte sie, sie heute revidieren zu können? Er wollte nicht noch einmal anfangen, das gleiche noch einmal erleben.
    ›Du verlangst zuviel, Clay.‹
    ›Kommst du mit mir?‹
    ›Kannst du es nicht verstehen? Ich kann ihn nicht verlassen, nachdem …‹
    ›Wonach? Sprich es aus! Nach dem, was ich getan habe. Du denkst von mir das gleiche wie er. Es stimmt, ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich hätte so etwas nie mit einem Pferd gemacht. Schon gar nicht mit Lord Randolph. Das müsstest du eigentlich wissen!‹
    ›Ach, Clay, Liebling, verstehst du nicht. Ich kann ihn nicht einfach sitzen lassen. Wie meine Mutter.‹
    Wenn er es sich jetzt recht überlegte, mit trockenem Hals und vibrierenden Nerven, warum kletterte er nicht in den Lieferwagen und machte, daß er fortkam? Nur weg.
    Statt dessen schlug er die Autotür wieder zu und stelzte hinauf in die Hotelhalle. Und der Schlüssel brannte ihm in der Handfläche. Er schmeckte Staub im Mund. Oder war es Asche?
    Aber warum hatte er sich so angestrengt, wenn nicht, um sie wieder zu sehen? Um das Rennen zu gewinnen, natürlich auch. Aber um sie wiederzugewinnen …
    ›Am Sonnabend, da wird Ihnen das Glück nichts nützen.‹
    Vor Minuten am Tisch hatte sie strahlend ausgesehen, herausfordernd, trotzig. Er hätte sie mit der Hand berühren können. Selbst da hatte er nicht dieses verhaßte wie vertraute Ziehen empfunden.
    Wieder befand er sich im Aufzug, allein wie fast immer. Wie es ihm behagte.
    Wollte er immer allein sein. Und bleiben?
    War das wirklich sein Wunsch?
    Warum war er dann hier?
    Er ging einen breiten Korridor entlang. Geschlossene Türen an beiden Seiten. Eine fieberhafte Erregung bemächtigte sich seiner. Die Tür war lediglich angelehnt. Den Schlüssel hätte er also gar nicht gebraucht. Dieses Miststück und ihr Theater.
    Clay streckte die Hand aus und drückte die Tür auf.
    Er betrat den Vorraum und starrte ins Dunkel. Ein Wohnraum mit Terrassenfenstern, fahlrötlicher Himmel dahinter. Er stand reglos, atmete kaum, zitterte aber auch nicht. Mit einem Mal nahm er eine Bewegung wahr, lautlos, gespenstisch. Und dann sah er sie, den Umriss ihres Körpers vor dem Nachthimmel. So, wie Gott sie geschaffen hatte. Mit leicht gespreizten Beinen. Trotzig? Oder mit der gewissen Hilflosigkeit, die ihn

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