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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Andrew gewandt. »Oder dich nicht in solche Situationen bringen.«
    Brigid wandte sich an Molly. »Mußt du nicht in wenigen Stunden mit dem Morgentraining beginnen?«
    »Ach, Tante Brigid«, protestierte das Mädchen. »Ich muß mir noch ganz andere Dinge von meinen Kollegen anhören.«
    »Daran zweifle ich nicht. Aber es ist trotzdem Zeit.«
    Molly fügte sich in das Unvermeidliche und verabschiedete sich reihum. Voller Wärme schaute Brigid ihr nach, als sie anmutig dem Ausgang zustrebte. Das Mädchen war ihr wie eine Tochter ans Herz gewachsen.
    Kimberley winkte die Kellnerin herbei und bestellte noch einen Stinger. »Ohne Eis und scharf wie ein Mann.« Ehe die Bedienung fliehen konnte, wies Andrew fragend auf Brigids Glas. »Warum nicht«, sagte sie. »Ich muß nicht bei Tagesanbruch reiten, Andrew.« Nannte sie ihn zum ersten Mal beim Vornamen, um Kimberley in die Schranken zu weisen? Als kindische Rache und ein wenig grausam?
    Kimberley erhob sich unvermittelt. »Damit eines klar ist, Starbright wird nicht in Europa laufen. Starbright gehört nicht dem Blue-Ridge-Gestüt. Hast du vergessen, Andrew, daß du mir das Fohlen geschenkt hast?« Sie sagte es ohne Schärfe, sondern ganz sachlich. »Vielleicht ist es Ihnen nicht bekannt, Mrs. Tyrone, aber Ausländer haben bei uns keine Chance. Das Derby haben bisher erst zwei nicht in Amerika gezogene Pferde gewonnen.«
    Die Nerzstola hinter sich herschleifend schlenderte sie von dannen. In dem Augenblick erkannte Brigid, der ihre Spitze von vorhin bereits leid tat, daß sich hinter Kimberleys provokantem Auftreten in Wirklichkeit ein verletztes und zurückgestoßenes Kind verbarg, das aufbegehrte. Das auf seine Weise um Liebe und Zuneigung warb. Und das aus Furcht vor weiteren Zurückweisungen schroffer reagierte als nötig. Oder interpretierte sie etwas in die Ungezogenheiten hinein, das nicht existierte?
    Merkte Andrew Cameron eigentlich, daß er die Rebellion seiner Tochter nur noch weiter anfachte, indem er ihre Unverschämtheiten überging? Oder war das seine Abwehr gegen ein rätselhaftes Verhalten, das er nicht begriff?
    Wyatts Laune besserte sich durch Clay Chalmers Schweigen nicht. Wie konnte er diesen selbstgenügsamen oder vielleicht auch nur schüchternen und unsicheren Burschen aus seiner Reserve locken? Da sah er, wie sich die goldenhaarige Prinzessin am Tisch ihres Vaters erhob und mit hocherhobenem Kopf dem Ausgang zustrebte. Ob sie geruhen würde, an seinem Tisch stehenzubleiben und ihn zu begrüßen?
    Sie hielt inne. Wyatt blickte in ihr sonnengebräuntes Gesicht hinauf und mußte sie bewundern. In einem Ton seidenweicher Unverschämtheit sagte Kimberley: »Es tut mir ja so leid, daß ich mir Ihr Bankett entgehen ließ. War es so dämlich und langweilig wie immer?«
    »Noch schlimmer«, gab er zurück und fixierte sie. »Weil Sie gefehlt haben.« Er blieb sitzen, während Clay Chalmers aufstand. »Sie erinnern sich vielleicht an Mr. Chalmers?«
    Sie zog die hellen Brauen hoch ohne ein Lächeln. »Natürlich. Ich kenne ihn aus einer Zeit, in der er noch nicht wußte, daß man in Damengesellschaft aufsteht.«
    »Das war«, entgegnete Clay Chalmers, »ehe ich wußte, daß man vor einer Dame aufsteht, auch wenn sie keine Dame ist.«
    Wie zwei Kampfhähne. Das konnte ja interessant werden, dachte Wyatt und rutschte mit seinem massigen Körper zum Fenster zu, um Platz zu machen. »Und ich kenne Kimberley Cameron«, sagte er, »seit sie als pummelige Göre in jeder Derbywoche das alte Hotel Brown demolierte. Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Miß Cameron?«
    Doch sie blieb stehen, ganz förmlich, und lächelte mit angespannter Miene. »Das Angebot habe ich heute schon von Dutzenden bekommen. Aber Mr. Chalmers wird sich bestimmt noch einen genehmigen.«
    »Einen Doppelten«, sagte Clay und ließ sich wieder mit diesem inzwischen vertrauten Ausdruck der Selbstironie nieder.
    Graf Wyatt Slingerland war entzückt. In was für ein Wespennest hatte er da gestochen?
    Kimberley schaute auf Clay herab. »Viel Glück am Dienstag, Mr. Chalmers.«
    »Danke, Miß Cameron. Und am Sonnabend?«
    »Am Sonnabend«, meinte Kimberley Cameron mit einem herausfordernden, amüsierten Blitzen in den Augen, »da wird Ihnen das Glück nichts nützen.«
    Wyatt verfolgte das Geplänkel mit Spannung. War da nicht ein haarfeiner Riß in der eisigen Fassade der Dame zu entdecken, ein leises Schwanken des Selbstbewusstseins? Auch in ihrer Haltung drückte sich dies aus, eine Mischung

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