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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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das gleiche gedacht hast wie dein Vater.« Seine Stimme klang rau.
    »Ich konnte es nicht. Ich wollte es nicht.«
    »Aber du tatest es trotzdem.« Nicht mehr davon – nicht jetzt. Das war alles vorüber. Aber … »Du denkst es aber jetzt auch noch, oder?«
    »Was soll ich, was kann ich denn sonst denken?« Es klang bitter.
    So wie das, was in dieser Nacht passiert war, unvermeidlich gewesen war, so war es auch dieses Thema. Was Clay mit der vertrauten Verbitterung und einer kalten Wut konstatierte. Es war unfair. Aber hatte er denn noch immer nicht begriffen, daß so gut wie nichts jemals fair war? Warum also bestand er auf dem, was er für sein Recht hielt?
    Er erhob sich in dem abgedunkelten Zimmer, hörte neben sich Decken rascheln und dann die Umrisse von Kimberleys Körper, als sie im Wohnzimmer das Licht einschaltete. Clay machte die Nachttischlampe an und begann sich anzuziehen. Das Versäumte lag ihm im Magen – sieben lange Jahre. Was für eine sinnlose Verschwendung.
    Im Geist hörte er wieder den Schuß, der Lord Randolph getötet hatte. Er hatte laut durch die Stallungen und den Winterwald gehallt. Kimberley mit verstörtem und ängstlichem Blick. Das Gesicht ihres Vaters im Schneetreiben, von kaltem Zorn verzerrt, und dann seine massige Faust, die in seinem Gesicht explodiert war. Ein Hagel von Schlägen, der Geschmack von Blut, ausgebrochene Zähne, und er hatte alles, ohne sich zu wehren, über sich ergehen lassen. Warum er nicht zurückgeschlagen, sich verteidigt hatte, war ihm nie ganz klar geworden. Ebenso wie er nicht wußte, ob er tatsächlich so betrunken gewesen war und das verbrochen hatte, wessen Andrew Cameron ihn bezichtigte. Würde er es jemals erfahren?
    Im Wohnzimmer hörte er eine Tür gehen.
    Kimberley hatte damals ihre Entscheidung getroffen, ehe es zu der nächtlichen Szene gekommen war. Am späten Abend hatte er sie, völlig nüchtern, gebeten, mit ihm fortzugehen. Ein ungeheures Ansinnen: das weiträumige, weiße Haus mit dem achteckigen Wohnraum, dem französisch angelegten Park, die achthundert Hektar Koppeln, Stallungen, Übungsbahnen, Ackerland und Wald zu verlassen – und wofür? Für ein unsicheres Leben mit einem Hilfstrainer, einem Farm-Verwaltungsassistenten. Selbst damals war ihm dieser Vorschlag überheblich, unvernünftig und undurchführbar erschienen. Als sie nicht darauf eingegangen war, hatte er sich wie ein schmollendes Kind ins Dorf verzogen und sich einen gewaltigen Rausch angesoffen, nicht zum ersten Mal, und dann war das Unerklärliche passiert. Ob durch sein Verschulden oder nicht – er würde es wohl nie herausbekommen. Lange Zeit hatte er die Erinnerung aus seinen Gedanken verbannt.
    »Ich schwebe«, Kimberley stand nackt im Türrahmen, und ihr Anblick fuhr ihm wie ein Blitz in alle Glieder. Erneut wirkte sie anders, verspielt und übermütig, und die grünen Augen funkelten fröhlich. »So wie früher.« Sie rannte zum Bett, hechtete hinein, wobei sie sich in der Luft drehte und auf dem Rücken landete.
    Er verdrängte die Erinnerung an die Vergangenheit, daran, wie er sie damals im grauen Morgenlicht noch einmal gebeten hatte, mitzukommen, und wie sie tränenüberströmt und fast hysterisch gestammelt hatte: ›Wie kann ich, Clay? Ich kann jetzt doch nicht weg. Nachdem du – nachdem, was geschehen ist.‹
    Während er in sein Hemd schlüpfte, trat er zu ihr. »Kommst du später an die Trainingsbahn?«
    Wieder wandelte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an: »Die Bahn? Clay, du kannst doch nicht – nicht jetzt. Kann dein Pferdepfleger nicht das Pferd bewegen. Oder dein Hilfstrainer?«
    Die Sturmsignale waren ihm vertraut, und er sagte sanft: »Ich habe über eine Woche nicht mit Hotspur arbeiten können. Wird Starbright nicht trainiert?«
    »Er ist auf einer Koppel. Menschenmengen machen ihn nervös, und Downs ist in dieser Hinsicht schlimmer als andere Rennplätze. Sie versuchen, ihn zu beruhigen. Eigentlich sollte ich dort sein.« Sie schaute Clay in die Augen. »Das Pferd liebt mich. Es liebt mich ehrlich.« Mit einer heftigen Bewegung richtete sie sich auf. »Das ist mehr, als du von dir behaupten kannst, oder? Du hast es nicht einmal gesagt. Du kannst es nicht sagen, weil es nicht zutrifft, oder?«
    Dieser Vorwurf kam aus heiterem Himmel, und aus Kimberleys Augen sprach Ablehnung und fast Hass. Oder Angst. Clay konnte sich noch gut daran entsinnen, ihre Art, mit Angst, übertriebener Abwehr und gar

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