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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Panik auf erwartete oder vermeintliche Zurückweisung zu reagieren. Es war alles wie damals, und es erschreckte ihn. Er entsann sich an Wyatt Slingerlands Bemerkung von der Eisprinzessin mit dem Inneren eines Vulkans. Ihre Ausbrüche in der vergangenen Nacht hatten in Höhepunkten absoluter Vergessenheit und Hingabe kulminiert. Doch was er nun vor Augen hatte, machte ihm Angst, jetzt wie damals. Sie kniete, nackt und völlig preisgegeben, neben ihm.
    »Ich glaube, ich liebe dich, Kimberley«, hörte er sich flüstern. »Aber ich werde an der Bahn erwartet.«
    »Bastard«, fauchte sie. »Dann geh doch zu ihnen. Mach, daß du fortkommst. Scher dich fort – warum bist du überhaupt zurückgekommen?«
    Statt sich davon einschüchtern zu lassen, beugte er sich zu ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn, die unter seinen Lippen brannte. Sie wand sich beiseite und stürzte sich bäuchlings auf das Bett, den Kopf im Kissen vergraben. Ob sie weinte? Es war immer ihr Stolz gewesen, daß sie nie weinte. Angesichts von Tränen – was sollte er tun? Konnte er sie dann allein lassen?
    Ihm wurde vage die Erpressung bewußt, und er lächelte. Clay nahm sein Jackett. »Damit kann ich wohl nicht gut an der Bahn erscheinen, oder?«
    Sie reagierte nicht.
    An der Tür blieb er stehen. »Kommst du nachher?« fragte er wieder.
    »Nein.« Sie bewegte sich nicht, und die Stimme klang erstickt.
    »Nein. Heute nicht. Und sonst auch nicht. Hau ab.«
    »Ich sollte dir den Hintern versohlen.«
    »Wenn du mich anrührst, vergewaltige ich dich.« Sie drehte sich auf den Rücken. »Du bist für mich der einzige Mann. Hebt das dein Selbstbewußtsein? Du Mistkerl, du bist der einzige Mann, der mir unter die Haut geht, bei dem ich mir wirklich lebendig vorkomme.« Er wartete, und sie verzog das Gesicht zu dem etwas rätselhaften, spöttischen Lächeln. »Wenn du mir nur erklären könntest, warum ich mich immer so seltsam benehme und solche Sachen sage. Es macht mir Angst, Clay, und niemand kennt sich mit mir aus.«
    Das war wieder diese Hilflosigkeit, diese Verletzlichkeit, dieses Flehen.
    Doch diesmal versuchte sie, es in Worte zu kleiden. Und das erweckte in ihm eine Hoffnung, wenn auch zaghaft. Wenn sie auch so war wie früher, sie hatte sich doch gebessert, geändert. Nun konnte sie wenigstens ihre Schwäche zugeben.
    »Clay«, sagte sie bittend, »du wirst mir gegen sie helfen?«
    Ganz begriff er es nicht, aber er würde schon noch dahinter kommen. Nach der letzten Nacht stand ihnen ein ganzes Leben bevor. »Wenn du kommen willst – Hotspur ist in Stall 27.«
    Er ging durch den Wohnraum in den Korridor, zog leise die Tür hinter sich ins Schloß und vernahm die Stille aus dem Schlafzimmer, als hätte sie ihn gerufen.
    JD Edwards' Ton wurde immer zorniger, während er vorlas: »In der mehr als hundertjährigen Geschichte des Derbys haben erst sieben Schimmel gewonnen.« Er knurrte und schlug mit dem Handrücken auf die Zeitung. »Zehn zu eins, daß dieser Zeitungsschmierer auch ein hochnäsiger Südstaatler ist.«
    Almeta drehte sich in dem knarrenden Bett des Motelzimmers auf die andere Seite. »Hör zu, Shortstop, es ist noch nicht mal hell. Wenn du mich schon aufweckst, um mir was vorzulesen, dann wenigstens ganz.«
    Was er tat: »Darunter befinden sich allerdings große Namen des Turfs. In besserer Gesellschaft kann der Besitzer und seine reizende Gattin für das diesjährige klassische Rennen nicht sein.«
    Er unterbrach sich und schimpfte: »Fehlt bloß noch, daß er den Leuten den reizvollen Kontrast zu deiner schönen schwarzen Haut beschreibt.«
    Daran merkte Almeta, wie wütend er war, was bedeutete, daß ihn das Knie wieder schmerzte.
    »Hör dir das an. ›Es wäre noch zu erwähnen, daß Also Ran als neunter im Bluegrass Stakes einlief – bei einem Neunerfeld. Und daß er aus der Startbox zu schießen pflegt wie einer, der hochkant aus einer Kneipe geschmissen wird. Aber jemand, der ein Pferd mit dem Namen Also Ran kauft, braucht schon einen gesunden Sinn für Humor.‹«
    JD schleuderte die Zeitung auf den Boden. »Erst ringt sich der Hundesohn ein paar freundliche Worte ab, und dann haut er einen in die Pfanne. Nur weil es ihm gegen den Strich geht, daß zum ersten Mal ein Pferd, das einen schwarzen Besitzer hat, startet. Das steht nämlich nirgends in den Aufstellungen, oder?«
    Almeta war schlau genug, nicht darauf zu antworten. Ihr war durchaus klar, warum er das Pferd mit dem seltsamen Namen ›Unter ferner liefen‹

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