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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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anzusehen.
    Für True Blue, dessen Jockey dank seines Absprungs in letzter Sekunde unverletzt davongekommen war, gab es keine Rettung. Das linke Vorderfußgelenk war zerschmettert, und er mußte eingeschläfert werden.
    Eric the Red würde überleben, auch wenn er nie mehr ein Rennen gehen konnte. Mr. und Mrs. Einarsson wollten ihn an ein Gestüt verkaufen. Sein Jockey, ein Junge von einundzwanzig Jahren, hatte sich das Genick gebrochen und war auf der Stelle tot. Die Einarssons? Sie wollten sich für immer vom Turf zurückziehen und noch vor dem Derby nach Island heimkehren.
    Dealer's Choice? Andrews Ton veränderte sich nicht merklich. Das Pferd war nicht im Schlamm ausgerutscht, wie der Rennfilm bewies. »Ihm knickte das rechte Vorderbein durch, er ist einfach zusammengebrochen.« Brigid fielen wieder die Männer mit den ungehobelten Manieren und den aufgedonnerten Frauen ein, denen sie vor dem Rennen begegnet war. »Der Jockey ist im Krankenhaus und wird durchkommen. Aber dieses Jahr wird er nicht mehr starten können.«
    Andrews Entgegnungen hatten sich auf reine Informationen beschränkt. Seine Gefühllosigkeit irritierte sie, und sie fühlte sich beiseite geschoben und einsam. Sie überlegte, ob sie ihn mit Geplauder von der Tragödie, die ihn ja eigentlich nicht direkt betraf, ablenken sollte. Doch das kam ihr zu billig vor.
    Molly war nicht mehr in die Loge zurückgekehrt. Vermutlich feierte sie hinten bei den Stallungen mit ihrem geheimnisvollen, neuen Schwarm Bernard Golden: ein durchaus erfreulicher Anblick, als er sich wie ein Junge über den Sieger im Führring gefreut hatte, aber eigentlich gar nicht Mollys Typ. Der junge Kevin, den Molly mitgenommen hatte, bildete in seiner drahtigen Magerkeit einen seltsamen Kontrast zu Bernard Golden, der klein und ziemlich dick war.
    Kimberley war auch nicht in die Loge zurückgekommen. Brigid dachte wieder an deren Anfeuerungsrufe für Hotspur und vermutete, daß sie bei Clay Chalmers war. War das der Grund für Andrews düstere Stimmung? Was sich auch immer zwischen Vater und Tochter abspielte, sie wollte da nicht hineingezogen werden und auch nichts davon wissen. Abgesehen davon, daß sie dagegen sowieso nicht ankämpfen konnte. Kämpfen? Wie kam sie auf so einen Gedanken? Laut sagte sie: »Kimberley muß jetzt glücklich sein.« Was sollte die Bemerkung? Ein Versuchsballon, ein Köder für den Mann? »Sie wollte, daß ihr Dreijähriger gegen Hotspur antritt, oder?«
    Andrew entgegnete im gleichen beherrschten Ton: »Hotspur hat durch die Fehler anderer gewonnen.«
    Entdeckte sie eine Spur von Feindseligkeit in seiner Stimme? Hatte sie den Grund für seine ablehnende Haltung richtig erraten? War ihr das recht?
    »Was ich für Vorbehalte gegen Clay Chalmers menschlich haben mag, er ist ein zu guter Pferdefachmann, um das nicht selbst zu erkennen.«
    Nun verstand sie gar nichts mehr. Aber zum Glück ging es sie ja alles nichts an. Und wenn der Mann in Ruhe gelassen werden wollte – das konnte er haben.
    Die Verkehrsdichte hatte abgenommen, aber Andrew drückte dennoch nicht aufs Gas. Sie wollte möglichst schnell ins Hotel, aber Andrew schien sich beinahe nicht bewußt zu sein, am Steuer zu sitzen.
    Dann fing er ganz unerwartet zu reden an und nannte ihren Namen. Flüsternd erst, und dann langsam, als ringe er sich jedes Wort ab: »Brigid, ich kann nicht darüber reden. Bitte versteh das. Ich habe Angst, es in Worte zu fassen, denn ich möchte brüllen.« Er holte tief Luft und blickte noch immer starr nach vorn. »James Oliver ist einer der anständigsten Männer, die ich kenne. Er ist so total am Boden zerstört, daß er sich von dem Schock lange nicht erholen wird. Seine Frau hat seit Jahren keinen Tropfen mehr angerührt, aber nun hängt sie bereits wieder an der Flasche. Ihr Sohn, du hast ihn gesehen, Leonard, ist am meisten betroffen, denn es war sein Pferd. Er weint wie ein Kind. Er ist vor drei Jahren bei einer Jagd gestürzt und seitdem querschnittsgelähmt.« Die Worte überschlugen sich fast, und seine Schultern zuckten. »Das hätte nicht geschehen dürfen. Diese sinnlose Zerstörung von Leben und Gesundheit. Dieser Kummer. Es ist eine Gemeinheit. Und völlig unnötig. Davey Jessup hatte noch das ganze Leben vor sich! Ganz zu schweigen von Al Manuel im Krankenhaus und dem Verlust der Einarssons. Zwei Pferde tot, ein drittes verletzt. Und das alles nur, weil ein Pferd an den Start gelassen wurde, das nicht zugelassen hätte werden dürfen, weil es

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