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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Fohlen, aus dem Stutenstall in die hervorragend eingerichtete Fohlscheune gebracht wurde. Scourby, der Geburtshelfer vom Stall Brookfield, erwartete das Fohlen in Kürze. Er schaltete das Licht an, das mit seinem runden Schein eine Oase des Vertrauens schuf. Lady Jane war heiß und ruhelos und rieb den Kopf ungeduldig am rauen Jackett des Mannes mit dem schwarzen Bart, der sie noch einmal untersuchte.
    Rachel wußte zwar, daß sie in einem Hotelbett in Kentucky und nicht im Stall in Connecticut war, aber in ihrem Geist, dem wachen und lebendigen Teil von ihr, erlebte sie noch einmal jene Nacht.
    Nachdem Scourby sie noch einmal vergewissert hatte, war sie zum Haupthaus in das Schlafzimmer gegangen, um Eugene Bericht zu erstatten. Brookfield war kein so großes Gestüt, daß hundert oder mehr Stuten auf einmal fohlten, und so war jede Geburt ein Ereignis, an dem alle teilnahmen. Eugene hörte, was sie sagte, war aber für eine Reaktion zu schwach und nickte nur. Das sonst volle, rote und kräftige Gesicht war zusammengeschrumpft und blaß im Kissen. Aber ihr reichte, daß er sie verstanden hatte.
    Also war sie wieder in den Stall gegangen, um die lange Nachtwache mit Scourby zu teilen, anstelle von Eugene. Scourby trank von dem frisch gebrauten, bitterschwarzen Kaffee und hörte leise Musik. Die meisten Stallburschen haben eine Vorliebe für Krimis oder Fernsehen, aber Scourby stellte immer klassische Musik in seinem Kofferradio ein – vielleicht war dies der Grund, daß später Ancient Mariners nervöse Natur am besten durch Musik zu beruhigen war und er fast fordernd scharrte, wenn jemand vergessen hatte, den Radioapparat anzuschalten?
    Scourby hatte recht behalten, das Fohlen war alsbald gekommen und hatte sich gut gemacht.
    »So einen nur zwei Tage alten Brocken hab' ich noch nie gesehen«, lautete Eugenes Kommentar, als er vom Schlafzimmerfenster aus die Stute mit ihrem kleinen Hengstfohlen sah. Noch einen Tag zuvor war es mit seinen staksigen Beinen fast auf dem nassen Gras ausgerutscht, aber jetzt war der Rasen abgetrocknet, ein frischer Wind wehte, die Sonne schien, und das Fohlen fühlte sich immer mehr in seinem Element.
    Am Abend bei einem Diner im Kerzenschein, das sie an seinem Bett einnahmen, hatte Eugene dem Fohlen einen Namen gegeben. »Was hältst du von Ancient Mariner?« hatte er gefragt. »Das war immer mein Lieblingsgedicht.« Sie hatten sich zugeprostet und auf Ancient Mariner getrunken. Und nicht ganz eine Woche später war Eugene tot, nach einem schweren Rückfall verschied er in einem Krankenwagen, der sich auf dem Weg ins Krankenhaus von Milford befand.
    Ancient Mariner war von Anfang an und ausschließlich Eugenes Pferd und sein Vermächtnis.
    Und nun war Ancient Mariner auch tot. Rachel kam es vor, als sei Eugene ihr noch ein zweites Mal genommen worden. Und sie fragte sich, alt und müde geworden, ob nun irgend etwas noch einen Sinn hatte. Genau betrachtet gab es für sie nichts mehr auf der Welt zu tun.
    Obgleich es schon dämmerte, war es noch nicht hell genug, so daß Christine die Verandalampe anschaltete, um genug zu sehen; und wieder wünschte sie, Owen hätte nicht voreilig die Haushälterin in Urlaub geschickt.
    Der dunkelhaarige junge Mann, der in einer Wildlederjacke und einem Rollkragenpullover vor der Tür stand, war, wie er sagte, Owens Bruder. War Owen etwas passiert? Sie fummelte am Türschloss und zog das Neglige enger um sich.
    Als er eintrat, fragte sie: »Was ist Owen geschehen?«
    »Nichts. Noch nichts.«
    Was für eine seltsame Antwort. Sie hatte Clay Chalmers nach dem Trail bei der Siegerehrung gesehen – als Owen gesagt hatte: »Vierzehnhundert Meter im Schlamm sind noch keine eineinviertel Meilen auf hartem Geläuf.« Aber den Bruder hatte er nicht vorgestellt. Bis auf seine krumme Nase sah er gut aus, wenn auch nicht besonders im Vergleich zu Owen. »Was ist los?« erkundigte sie sich.
    »Wo ist Owen?«
    Sie schob vergebens das Haar zurecht – nun war sie schon zum zweiten Mal aufgeweckt worden – und sagte: »Na, hier ist er nicht, natürlich.« Vorsichtigerweise sagte sie nicht, daß er noch nicht zurückgekehrt sei. »Um diese Zeit arbeitet er für gewöhnlich das Pferd.«
    Clay schaute sich in der Halle um und die Treppe hinauf mißtrauisch? »Ich komme gerade von der Bahn. Vom Rennsekretariat erfuhr ich diese Adresse hier.«
    Verdammter Owen, konnte er nicht vorsichtiger sein? Aber es wäre sinnlos, darauf herumzuhacken. »Er wurde wegen des Feuers

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