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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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angerufen und blieb wahrscheinlich gleich anschließend auf der Bahn zum Morgentraining. Aber er hat nicht angerufen. Ist der Brand unter Kontrolle?«
    »Groß gebrannt hat es nicht.« Ohne ein weiteres Wort ging er in das Wohnzimmer und öffnete die Tür zum Salon. Was dachte er sich eigentlich – daß sie log?
    Mehr irritiert als amüsiert – und zum Glück recht nüchtern – fragte sie: »Gab es Verletzte?«
    Er marschierte auf das Esszimmer zu. »Ein totes Pferd. Ein Mädchen ist verletzt.« Er schaute in die Küche und achtete nicht weiter auf sie.
    »Oh? Welches Pferd? Falls Sie nicht zu beschäftigt sind, mir Auskunft zu geben?«
    »Ancient Mariner.«
    Das schockierte sie. Rachel Stoddards feiner Dreijähriger. Wie freundlich die alte Dame zu ihr gewesen war, nur Stunden zuvor – sie hatte es geschafft, daß sie sich zugehörig und wie zu Hause gefühlt hatte.
    »Er hatte in seiner Box einen kleinen Unfall. Wie Vincent Van.«
    Da merkte sie, daß Owens kleiner Bruder tatsächlich ungefragt die Treppen hinaufging.
    »Fühlen Sie sich wie zu Hause«, rief sie ihm nach. »Zumal Sie mit Owen verwandt sind. Kann ich Ihnen irgendwie helfen oder so?«
    Er blieb stehen und drehte sich mit ausdruckloser Miene um. »Ich wollte eigentlich eine Schreibmaschine leihen«, sagte er. Das klang nicht ironisch, aber es war schon sehr komisch, fand sie.
    »Eine Schreibmaschine?« Doch fand sie es irritierend, aber auch amüsant: Das war ein seltsamer Mensch, kühl, lässig, höflich – aber sehr zielstrebig. »Sie machen natürlich einen Witz. Glauben Sie mir nicht, daß Owen nicht im Haus ist?«
    »Heute glaube ich gar nichts.« Damit ging er weiter die Stufen hinauf.
    »Eine Schreibmaschine steht in dem Studio, das Owen als Arbeitszimmer benutzt«, rief sie ihm nach. »Die erste Tür links.«
    Sie hörte von oben Schreibmaschinengeklapper. Was im Himmel konnte der merkwürdige junge Mann da schreiben? Einen Brief? Deshalb kam man doch nicht einfach und zu dieser Zeit in ein fremdes Haus?
    Sie lächelte vor sich hin. Er mußte wirklich betrunken sein. Das war die einzige Erklärung. Aber sie war mittlerweile hellwach, also kam es ihr nicht darauf an: In einigen Minuten, wenn der Knabe verschwunden war, würde sie sich den ersten Gin des Tages genehmigen. Es wäre ihr zwar lieber gewesen, wenn Owen nicht aus Marylous hübschem Studio einen solchen Verhau gemacht hätte. Aber schließlich brauchte der Mann ja einen Platz für seine Unterlagen und Berechnungen.
    Sie merkte, daß das Tippen aufgehört hatte, und schaute hinauf. Es rührte sich nichts. Sie wollte sich schon den Gin eingießen, als sie Schritte auf der Treppe hörte und Clay heruntersteigen sah.
    »Haben Sie gefunden, was Sie wollten?« fragte sie mit trockener Hänselei.
    »Mehr als das.«
    Was sollte das heißen? »Ja? Was zum Beispiel?«
    »Das hier.« Er gab ihr ein handgroßes Gerät, das sie schon oft gesehen hatte. Darauf stand gedruckt: Computer-Leistungs-Bemessungsgrundlage.
    »Och, das. Ja, Owen wettet gern.« Sie lachte leicht. »Vielleicht verliert er deshalb immer.«
    »Owen«, erklärte sein Bruder, »hat in seinem Leben noch nie gewettet. Er ist mit einem Hass auf das Glücksspiel groß geworden, ebenso wie ich.« Er ging nicht, wirkte merkwürdigerweise aber auch nicht unsicher oder angeheitert. »Sie haben einen erstklassigen Trainer, Mrs. Rosser, und einen gründlichen.«
    Aus seinem Mund klang das weniger wie ein Kompliment, sondern mehr wie eine Anschuldigung, aber sie sagte: »Danke.«
    »Die meisten Trainer haben kleine Notizbücher wie das«, sagte Clay, wobei er in seine Tasche langte und ein abgegriffenes Büchlein mit Eselsohren herauszog. »Mein Bruder hingegen verfügt über detaillierte Akten und Unterlagen sowie komplette Lebensläufe und nicht nur Stoppergebnisse und Übersichten der Leistungen in den letzten Rennen. Ferner hat er Protokolle über die Vererber sämtlicher Pferde, die für das Derby gemeldet wurden, sowie Aufzeichnungen über Verletzungen und Krankheiten. Und zwar bis ins kleinste Detail.«
    Ihr gefiel die Art nicht, wie er es sagte, ebenso wenig wie sein Ton und seine Manieren. »Owen hat sich in den Kopf gesetzt, daß Fireaway gewinnt. Dafür zahle ich ihn.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir wollen doch alle gern gewinnen, oder? Möchten Sie es nicht auch?«
    »Anscheinend nicht so unbedingt wie Owen und Sie.«
    »Dann werden Sie es auch nicht schaffen.« Ihr reichte es. »Wenn Sie Ihren Brief fertig haben,

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